Notizen 2018


Ein Kunstwerk trägt in sich die Spuren seiner Entstehungszeit, äußere wie innere, die wiederum der Zeit seines Schöpfers entsprechen mit ihren situativen Gegebenheiten. Im Grunde genommen schauen wir ins Herz eines Menschen, lassen wir uns auf Kunst ein. (19.01.2018)

Moderne Kunst gerät schnell unter Verdacht der Scharlatanerie. Meist, wenn auch nicht immer, markiert mehr oder weniger bewusstes Unverständnis die Neigung zur Disqualifikation. (23.01.2018)

Kunst (und mit ihr die Kunstschaffenden) passt sich der sogenannten Lebenswirklichkeit nicht an und wird doch von ihr passend gemacht. Der Preis künstlerischen Ruhms ist die Illusion des Besonderen, die nötig ist, um überhaupt preiswürdig zu sein. (08.02.2018)

Welcher (Kunst)Stoff regt meine Einbildungs- und Gestaltungskraft an, bringt mich zum Formulieren? (06.03.2018)

Stil ist im Zusammenhang mit Tatsächlichkeit zu sehen, aus der wiederum Stil hervorgeht. (13.03.2018)

Schmale Aussage, formale Größe. Schmal in der Form, groß in der Aussage, usw. … (17.03.2018-1)
Man könnte heute modern sein in der Kunst vor allem durch konsequenten Verzicht aller Modernität. (17.03.2018-2)

Größere Bilder, größere Dimensionen. Die Zeitspanne des Fertigungsprozesses wird länger, schiebt sich weit in die Zukunft voraus. Als momenthaft schneller Arbeiter eine Herausforderung für mich, der ich mit Gelassenheit, einer handwerklichen Einstellung, zu begegnen versuche. Doch das allein rettet mich nicht, denn um vom Handwerk zur Kunst zu finden, brauche ich den Zufall adäquater Lösungen. (26.03.2018-1)
Wer kreativ sein will, muss sich über Hindernisse hinwegsetzen können. Das größte Hindernis ist man immer selbst. (26.03.2018-2)
Beim gestalterischen Arbeiten kippt der lineare Zeitablauf immer wieder in einen zirkulär-punktuellen. In solchen Momenten ergeben sich Realisierungen wie aus dem Nichts. (26.03.2018-3)
Ich habe keine Ahnung, was das sein soll, postmoderne Malerei. Dabei schwimme ich selber im Fahrwasser der Postmoderne, ob ich will oder nicht. (26.03.2018-4)
Zu keiner Zeit wäre es objektiv einleuchtender gewesen, den Pinsel aus der Hand zu legen, als heute. Subjektiv betrachtet, ist mir das allerdings nicht möglich. Also pinsele ich weiter und freue mich für mich allein. (26.03.2018-5)
Vier mal anderthalb Stunden. Das ist in etwa mein tägliches Arbeitspensum am Bild. (26.03.2018-6)

Man bezahlt die ”großen Empfindungen” künstlerischer Arbeit mit dem Gegenteil dessen, was sie vorgeben zu sein: Leere. Das vormals Geglückte erscheint abgeschmackt und banal. Man hat nichts zu sagen, sagt man sich, und spricht doch weiter und weiß noch nicht einmal warum. (09.04.2018-1)
Wichtiger als je: die klaren Arbeitsphasen, die zwar schon sehr früh in meinem Tagesablauf verankert waren, nun aber nicht mehr nur ins Alltagsgeschäft, sondern einem Kräftespiel eingefügt werden müssen, dem die Kräfte langsam (sehr langsam noch) aber sicher abhanden kommen. (09.04.2018-2)

Wenn alle kreativ sind in der Welt, ist für Künstler kein Platz mehr. (30.04.2018)

Vielleicht gibt es künstlerisch veranlagte Menschen, die ihr Werk, ihr Schaffen, klar beurteilen können. Ich gehöre nicht dazu. Mein Vermögen schwankt hin und her zwischen euphorischer Selbstzufriedenheit und vernichtendem Selbstverriss (Pfuscher und Könner in einem, aus meinem Blick). (03.05.2018)

Tagewerk für heute: weiter an den Figuren in Harz-Öl-Technik, die sich geschmeidig mit Kaseintempera kombinieren läßt, was ich mir so nach und nach erarbeite. (08.05.2018-1)
In jedem Bild steckt etwas Persönliches, einerseits Biografie, andererseits weit darüber hinaus. Ich, Über-Ich und Es könnte man mit Freud sagen (was natürlich nicht stimmt), ES dabei den unstillbaren Hunger nach Ausdruck repräsentierend. (08.05.2018-2)

Einerseits Bemühung um Werktreue, um die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten, andererseits die Erfahrung, dass dem Künstlerischen Dialog Werktreue völlig egal ist. (14.05.2018)

So kann es gehen. Gestern in Vorfreude der Fertigstellung, gerate ich heute in eine Sackgasse. Erst ignorierte ich meine, zunächst leisen Zweifel, doch heute musste ich klein beigeben und mir eingestehen, dass es so nicht weitergehen kann, dies Bild einer deutlichen Änderung bedarf, eines harten Eingriffs, in sein festgefahrenes Gefüge (ansonsten sein Leben bedroht wäre). Ein Bild ändert sich im Bilden (alte Künstlerwahrheit). Und: trotz meiner Erfahrung stolpere ich über Ausgedachtes. (15.05.2018-1)
Irgendwann hob ich mein kreatives Inselchen aus der Taufe. Seitdem kümmere ich mich um Landgewinnung, ohne Abschluss bis heute. Landnahme, künstlerisch. (15.05.2018-2)

Fünf große Malflächen hängen jetzt im Atelier. Zwei habe ich fertigstellen können, eine, zwar weit gediehen, schwebt noch, eine ist über eine Skizze nicht hinausgekommen und eine ist noch leer. Dazu zwei Stückwerk-Portraits und einige kleine Stückwerke (Stilleben und Reihen). Arbeitsresultate bislang. Warum habe ich das Gefühl eines etwas mageren Ertrags? (19.05.2018)

Man legt Selbstzeugnis ab im Werk, sicher, aber nie vollkommen (was geschmacklos wäre), so vollkommen, dass man sich selbst darin erschöpfte. Autobiografisch ja, aber frei von Dokumentationszwang. Immer der selbstredende Aspekt, es könnte auch anders sein. (07.06.2018)

Nicht grundlos überhebt sich der Künstler, über andere wie über sich selbst. Damit kaschiert er sein Scheitern, über das er sich hinwegtäuschen muss, weil er sonst kein Anfangen mehr fände. Immer unterliegen seine expressiven Möglichkeiten seinen expressiven Intentionen. Angesichts dieser fatalen Situation, überhebt er sich. Das macht ihn moralisch zum Versager. (10.06.2018)

Manchen Themen kann man sich künstlerisch kaum nähern. Das hat dimensionale Gründe, weniger im Sinne der Größe oder Tiefe eines Themas, mehr wegen des eigenen begrenzten Blicks auf ein intuitives Ausdrucksvermögen hin (im Sinne des ”schönen Scheins”). Vielleicht besitzt Kunst auch eine nur geringe Neigung, Zeitgeschehnisse abbilden zu wollen. Mit anderen Worten: erst die Kunst, dann (eventuell) der Zeitbezug. (12.06.2018)

Wenn ich male, begegne ich mir im Spiegel der Erinnerung auf der Suche nach dem Unbekannten. (14.06.2018-1)
Ein künstlerisch tätiger Mensch, der keine anderen Ziele verfolgt als ästhetische, ist in den Augen Außenstehender, an Sinn und Zweck sich Orientierender, wenig bis nichts. Dabei bringt er konsequent die Essenz seiner Profession zum Ausdruck (wie andere auch). (14.06.2018-2)
Es handelt sich eben nicht nur um Malerei … (14.06.2018-3)

Geheimnisvoll die Reihe der ”in memoriam”-Bilder (die ich nicht so nennen werde). Da tauchen Personen auf, die ich nie zuvor gesehen habe, im weiteren aber während des Malprozesses kennenlerne. Am Ende, nach Fertigstellung des Bildes, sind wir gut miteinander bekannt und ich kann mit Fug und Recht sagen ”in memoriam”. Irgendwo auf diesem Planeten haben sie gelebt oder leben sie noch. Ich erinnere mich. (06.07.2018)

Ein Missverständnis, Kunst zu verstehen. (10.07.2018)

Im Künstlerischen Prozess vergeht Zeit nicht, sondern sie entsteht. (17.07.2018)

Widerstreit als Nährboden künstlerischen Wachstums. (23.07.2018)

Im Kunstgebiet können Probleme der Form inhaltliche überwiegen. Auch das Gegenteil stimmt, dass Inhalt mit formalen Schwächen einhergehen kann. Also strebt man irgendwie zum Ausgleich, zur Balance, gar zur Synthese von Form und Inhalt. (24.07.2018)

Ich arbeite streng objektbezogen. Das komplizierteste und am wenigsten haltbare Objekt bin ich selbst. (30.07.2018)

Künstlerisch überaus wertvoll ist es, mit seinem Leben für die Kunst einzustehen (was nicht zwangsläufig tragisch-pathologische Züge annehmen muss). Dann steht nur noch eines im Mittelpunkt, eben die Kunst (in der je spezifisch-persönlichen Ausdrucksform). Mit ihr steht und fällt das eigene Lebensgefühl, die selbstbewusste Daseinsberechtigung. (14.08.2018)

Der künstlerisch entscheidende Unterschied der Malerei gegenüber der Fotografie, zumal der digitalen, ist die Malerei. (16.08.2018)

Ab einer bestimmten farblich-formalen Verdichtung beginnt ein Werk zu leben. Darauf arbeite ich hin. Ich erlebe diesen Moment des Erscheinens ungeahnter Lebendigkeit, die mir aus dem Werk dann entgegentritt, als sehr beglückend. Im tieferen Sinne ist sie Arbeits-, ja Lebenselixier. (21.08.2018-1)
Wie der Schlaf der kleine Bruder des Todes, ist die Kunst die kleine Schwester der Schöpfung. (21.08.2018-2)

Ad SurFaces: ich gestalte nach der Maske (Fotografie) einer Maske (fotografierte Person) im Malakt die Maske einer anderen (neuen?!), mir bis dahin unbekannten Person. Zeichnerisch-malerisch versuche ich ihr Leben einzuhauchen, aber es bleibt ein Bild, wenn auch ein lebendiges. (24.08.2018)

Kunst braucht Mitgefühl. (18.09.2018)

Unsinnig scheint mir die Ansicht, in Sachen Kunst würde eine wie auch immer beschaffene Qualität verkaufsförderlich wirken. Allerdings würde ich auch nicht das Umgekehrte behaupten, dass mindere Qualität sich besser verkauft. (17.10.2018)

Wenn Gestaltungsfreiheit zu einer bloßen Projektionsfläche austauschbarer, mehr oder weniger geistreicher Ideen wird. Man tut so, als ob es nur darum ginge, etwas Ausgedachtes sichtbar zu machen. (20.12.2018-1)
Ablenkung tut meiner Arbeit gut. Das steht im Gegensatz zur landläufigen Meinung, man müsse sich auf seine Arbeit konzentrieren. Trotzdem, Ablenkung bewahrt mich vor mir selbst. Bin ich abgelenkt, finde ich leichter in ein Gestaltungsgeschehen, in dem ich mich unmittelbar verlieren kann. Gute Arbeiten verdanken sich dieser Tatsache, die, so unbewusst sie sich zu realisieren scheint, so bewusst vor Augen steht. Ich wäre gern der Lenker, aber ich muss zugeben, im letzten werde ich gelenkt. (20.12.2018-2)

AFG 2018


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