Notizen 2016


Arbeiten Giorgio Morandi's sind mir nur spärlich bekannt. Ich erinnere mich an eine Abbildung aus einem Kunstkalender, die ich einige Zeit aufbewahrte. Als ich vor kurzem einen Bildband erwarb, erschienen anlässlich der umfangreichen Präsentation seiner Arbeiten in der Kunsthalle Tübingen im Herbst 1989, überraschten mich die kleinen Formate. Sie schienen so gar nicht zur Monumentalität der Stilleben zu passen. Er musste ungefähr eins zu eins gemalt haben, dachte ich mir, und dass mich die Farben irritierten. Hatte ich doch in meiner Erinnerung nur einen vagen Eindruck von ihnen, irgendwie hell, das schon, darin aufgestellt, aufgeführt (aufbewahrt?) verschiedene Gefäßgegenstände, dicht aneinander gerückt, fast gepresst. Mehr das Objekthafte erinnerte ich, den Gegenstandsausschnitt, also die Zeichnung. (08.01.2016)

Vorbei schweifend betrachte ich die Abbildungen der Bildwerke Giorgio Morandi's. An einem Stilleben des Katalogs bleiben meine Augen dann hängen, besser gesagt an zwei sich gegenüberstehenden. Längliche Flaschen, sogenannte Flöten, eine Kanne auch oder ein Krug, im Vordergrund drei Schachteln(?), alles dicht auf dicht hintereinander nebeneinander angeordnet. Schachteln und Flaschen fast auf einer Linie, etwas zurück die Kanne, angeschnitten von einer Flasche. Merkwürdig, dass all das nicht wirklich im Raum zu stehen scheint, obwohl ein Vornehinten in Farbe und Form akzentuiert wird. Die Dinge wollen eigentlich Flächenwesen sein, treten aber (noch) als Raumgestalten in Erscheinung. (10.01.2016-1)
Kunst schafft Wirklichkeit, Verwirklichung lässt Kunst werden. (10.01.2016-2)
Marcel Duchamp hat mit seinem Flaschentrockner im musealen Raum nicht nur die Besonderheit des Alltäglichen verdeutlicht, sondern - vielleicht unfreiwillig - die Notwendigkeit eines Raums betont, der Kunstdinge vor der Veralltäglichung bewahrt. (10.01.2016-3)
Eine eigenartige Unentschiedenheit des Handschriftlichen. Ich folge fasziniert den Pinselspuren in den Stilleben Giorgio Morandi’s, erwarte, dass sie sich noch weiter emanzipieren von Ding und Welt, fühle mich aber, dem entgegen, zu den Gegenständen hingeführt, hingebannt, mitten hinein in ihre lichträumliche wie materieschwere Modulation, mitten hinein in Körper und Schatten. Welch' ein Widerstreit. (10.01.2016-4))

Besonders die Stehensanordnung der Gegenstände - und sie stehen immer, auch dort, wo sie zu liegen scheinen - in den Stilleben Morandi's. Vorne, Mitte, Hinten. Ein Bühnenspiel. Sie können nicht allein die Flaschen und Kannen und Schachteln, all die Aufnahmedinge. Nicht für sich stehen sie, aber auch nicht gegen sich. Sie schmieden ein Komplott. Konspirativ neigen sie sich zu, aus der Umgebung in gegenseitige Dichte. (12.01.2016-1)
Kunst entzündet. (12.01.2016-2)
Morandi's Farben. Cremefarben, das trifft es vielleicht. Weiß, in alles Farbige hineingesenkt. Tertiärfarben, weiß getönt. Welch umfangreiches, mikrotonales Kolorit. (12.01.2016-3)

Das Schauen auf fremde künstlerische Umgangsweisen (wie machen es andere?), vielleicht aus einer arbeitsspezifischen Fragestellung heraus, vielleicht auch, weil mich eine ähnliche Thematik im fremden Schaffen anspricht. Für kurze Zeit hat es den Anschein, als ob ich fündig würde und mir die Beschwernis eigenen Wegs erleichtern könnte. Bis mir einmal mehr klar wird (wie oft denn noch!?), dass ich für eigene Fragen eigene Antworten zu finden habe. (18.01.2016-1)
Bildnerisch finde ich und bin betroffen. (18.01.2016-2)

Gäbe es einen verständnisvolleren Tod, als am Ort und im Vollzug der Bildproduktion? Ganz im Bild würde ich den Fluss verlassen, in den ich einst gestiegen bin oder mich in einen anderen stürzen. (19.01.2016)

Gestern zerstörte ich eine schon ziemlich weit gediehene Bildanlage. Ich setzte mich über sie hinweg, zuerst zögerlich, noch im Schlepptau der ursprünglichen (Bild)Idee, dann entschieden, rücksichtslos, das bereits Geschaffene völlig außer Acht lassend. Ich habe viele Ideen, doch geht es darum, sie zu realisieren oder zumindest etwas davon, schwinden mir die Möglichkeiten. Ich lande nur sprunghaft im Prozess. (22.01.2016)

Arbeite ich gegenständlich (im Sinne einer Abbildung von Gesehenem), bin ich mir bewusst, mich in eine Überlieferung zu stellen, eine gestalterische Tradition, der ich mich - vor allem aus zeitlichem Blickwinkel - nicht gewachsen sehe. Heute einen Gegenstand abzubilden, einen Körper, das bedeutet, sich auf eine Prüfung einzulassen. Bin ich dazu - wenigstens ansatzweise - in der Lage? Es bleibt, wenn ich mich einlasse, das zumindest, ein Beitrag zu meinem künstlerischen Selbstverständnis. Ein mühevoller Beitrag. Denn wie komme ich vom bloßen Gegenstand zum Bild? Da bedarf es dann anderes, wovon ich zum Zeitpunkt des Skizzierens eines Gegenstandes noch nichts weiß. (27.01.2016-1)
Oder einfach auch so, dass ich mich in der Vergangenheit bedienen kann. Das haben auch die Renaissancemaler gemacht, inhaltlich wie formal. Ihr Fundus war die Antike. (27.01.2016-2)
Werkseitig sind Spuren zu betonen wie zu tilgen (verwischen, beseitigen). (27.01.2016-3)

Noch mal Giorgio Morandi. Vorbildlich seine Arbeitshaltung, wie auch bei anderen, die ich schätze. Das Tagesgeschäft, ernst und dauernd betrieben aus einem Bedürfnis anhaltender Herangehensweise. Ich lese, dass er ein regelmäßiger Arbeiter war. Und nicht nur das. Er widmete sich fast ausschließlich der Stillebenmalerei. Welch eine Beschränkung. Wechselnde Arrangements von Gefäßen aller Art. Trödelzeugs. Seine Akteure, seine "Helden" vor ihm und im Bilde, bescheidene, stille, auch ermüdete, vielleicht lebensmüde. Er ließ selten eine Aufführung aus. Er führte selber aus, war eben dauernd bei der Sache, anziehend vorbildhaft. (02.02.2016)

Kunst und des Kaisers neue Kleider. (03.02.2016)

Werk benötigt Zeit. Verdichtung, und nichts anderes ist ein Werk, ergibt sich aus und mit Zeit, ausschließlich. (04.02.2016-1)
Manch vermeintliche Schwäche stellt sich im Verlauf als Stärke heraus (und auch das Gegenteil gilt). Unter diesem Blickwinkel etwa lasse ich mein Unvermögen - sei es technischer oder inhaltlicher Art - zu etwas Besonderem werden. (ausdrücklich im Eindruck, eindrücklich im Ausdruck). (04.02.2016-2)
Künstlerisch arbeite ich, weil ich etwas sagen will (zu sagen habe), von dem ich nur wenig weiß, das ich aber genau kenne. (04.02.2016-3)

Was ich sichtbar mache, entfällt mir mit dem Sichtbarwerden. Es kommt nicht mehr zurück. (05.02.2016-1)
Einförmigkeit, allgemein verbindliche, weil die Mittel, derer man sich im Formgeschehen bedienen kann und bedient, einförmig sind, auf einen einzigen - und nur einen einzigen - Vermittlungsablauf hin orientiert. Man geht dann zwangsläufig konform, weil es anders nicht geht (auch wenn man das nicht will). (05.02.2016-2)
Impression und Expression. Sich abwechselnde, sich ergänzende Vorgänge. Beeindruckend, dass nur ein Bruchteil des Geschehens zum Ausdruck kommt. (05.02.2016-3)
Eigentlich suche ich weit tragenden Verlauf und Ablauf, dauernd. Doch reichen Aufmerksamkeit und Energie selten hin, da ich von kurzem Atem bin. Als typischer Anfänger komme ich über den Anfang selten hinaus, dehne (länge) darum den Beginn. Es geht um die Frische des Augenblicks, das in die Länge gezogene Werkgeschehen, entstanden aus Augenblickstaten. (05.02.2016-4)

Arbeitshaltung: zwischen Leidenschaft und kühlem Verstand. (10.02.2016-1)
Geschickt und ungeschickt. Wer schickt und was und mit welcher Bedeutung fürs Kunstprocedere? Alles, was mir die Hand zu reichen vermag (zu geben, zu halten) sei mir willkommen. (10.02.2016-2)

Akkumulation von Improvisation und Spontaneität und (an)ordnendem Verstand. Gutes Gefühl und die Erkenntnis, dass mich der direkte Angang ans Gegenständliche, die akkurate Wiedergabe, im Ausdruck schwächt. Wenn überhaupt Abbildung, dann mit ein- bzw. untergeordneter Bedeutung. (14.02.2016)

Habe ich einen Vorsatz, gehe ich fehl. So etwas wie Projektion, die Planung eines Kunstprojekts, hat für mich immer etwas Vorläufiges. Würde ich sie für voll nehmen, hätte ich das Gefühl mich und andere zu täuschen über den Wirklichkeitscharakter künstlerischer Realisierung. (16.02.2016)

Verabschiede mich vorläufig (ob endgültig, weiß ich nicht) vom Malen. Bis auf weiteres "farbe" ich. Insofern kein Maler mehr, sondern "Farber" (nicht zu verwechseln mit Färber, wobei da eine gewisse Ähnlichkeit besteht). Das hat auch sein Gutes. Ich brauche vorerst keine Pinsel mehr. (17.02.2016-1)
Das Atelier eine Art Labor, ein Forschungsbereich eher unwissenschaftlicher Art. Im Zentrum ein Tisch, auf dem Farbsubstanzen verarbeitet werden. Prozessutensilien drum herum. (17.02.2016-2)

Farberei: wenn die Farbe auf die Fläche kommt, als sei sie vom Himmel gefallen. (18.02.2016)

Nicht linear-logisch vorgehen im Rahmen künstlerischer Arbeit. Die Güte des Produkts (in künstlerischer Hinsicht) erwächst aus paradoxen Handlungen, gespeist von geführter Absichtslosigkeit. (19.02.2016)

Jeder, der künstlerisch arbeiten will, findet im Lauf der Zeit seine spezifische Umgangsweise mit dem Metier. Er wird nicht umhin kommen, seinen Tagesablauf auf den Kunstprozess hin auszurichten, egal, ob er Früh- oder Spätschichten bevorzugt. Dazu Motivationsimpulse, die aufs Pferd helfen, und Strategien für den Abspann. Denn man lebt nicht ausschließlich im künstlerischen Prozess, wenn auch weitgehend in ihn hinein. (24.02.2016)

Vorher bin ich selten inspiriert. Unvorstellbar, dass mich Inspiration je (be)treffen könnte. Erst während der Arbeit, wenn ich mich ins Tun gleichsam hineingezwungen habe, stellen sich Eingebungen ein. Mein Kreativsein hängt ganz entscheidend davon ab, ob ich über mich selbst hinauskomme im ersten Schritt. (29.02.2016)

Es nutzt mir wenig (bisher), Formen meiner Augenfälligkeit zu studieren. Ich würde prozessual rückwärts gehen. Dagegen suche ich nach gegenwärtiger Bestimmung von Form wie sie meine bewegte und bewegende Hand hervorbringt. Ich interessiere mich formal mehr für die werdende (also auch sterbende) als für die gewordene Form. (04.03.2016-1)
Mein künstlerisches Sein steht in einem mir unerklärlichen Widerspruch zu mir selbst. (04.03.2016-2)

In künstlerischen Dingen bin ich ein Abwechslungstäter, teils aus persönlicher Anlage, teils aus Einsicht. (08.03.2016)

Jedes sichtbare Bild kann unzählige Bildanlagen verbergen, auch einige, die vorübergehend verheißungsvoll schienen, sich dann aber während des Entstehungsprozesses als unzureichend erwiesen und der Überarbeitung weichen mussten. Merkwürdigerweise sprechen diese Unsichtbarkeiten unter der Oberfläche mit. (09.03.2016)

Formen sind Darsteller (Schauspieler) auf der Bühne der bildenden Kunst. Wenn sie nichts zu sagen haben, ist das Stück langweilig. (17.03.2016-1)
Der Künstlerische Prozess hat etwas Unendliches. Auch wenn er aus Lebensnotwendigkeit immer wieder unterbrochen wird, handelt es sich bei ihm um ein Einziges (Eines), das am wahrsten in Erscheinung tritt, wenn es durch keinerlei wie auch immer geartete Kunstgriffe in Szene gesetzt wird (freie Bearbeitung aus Elias Canetti "Das Geheimherz der Uhr, Aufzeichnungen 1973 - 1985", Hanser Verlag, S. 7). (17.03.2016-2)

Interieur (Innenansicht), der richtige Titel für die stillebenartigen Stückwerke? (22.03.2016)

Meine Gestaltungskraft will portioniert sein. Sie soll für den ganzen Tag reichen. Aber im Grunde bin ich ihr nicht mächtig. Sie im Gegenzug hat mich fest im Griff, was mir vor allem dann bewusst wird, wenn sie mir abgeht. (30.03.2016)

Vom Schöpferischen reden die "Alten". Wer dieses Wort heute noch im Munde führt, erscheint merkwürdig bis befremdlich, irgendwie aus der Zeit gefallen. Man versteht ihn nicht. Dabei existiert kaum ein hinreichenderer Begriff für kreatives Handeln. (18.04.2016)

Gültige Gestalt verdankt sich ZUFALLsbekanntschaft. Soll sie überzeugen, ist sie ohne Absicht. (27.04.2016)

Für Kunstschaffende - sofern selbstbeaufgabt tätig (im Gegensatz zu auftragsbeaufgabt) - stellt jeder Arbeitstag eine potentielle Herausforderung dar, direkt gekoppelt mit Selbstverantwortung (im Sinne von Selbstbestimmung eigenverantwortlichen Tuns). (28.04.2016-1)
Ich realisiere das Mögliche, in dem ich das Unmögliche will. Immer hole ich weiter aus als das reicht, was mich dann einholt. (28.04.2016-2)
Hinter das eigene Werk zurücktreten ohne sich zu verbergen. (28.04.2016-3)

Kunst schert sich nicht um den Aufwand, der mit ihr getrieben wird. Kunst ist oder ist nicht, im Großen wie im Kleinen. (02.05.2016)

Ich verbinde mit meiner bildnerischen Arbeit nach wie vor den Anspruch, einen formal-inhaltlichen Prozess zu durchlaufen, der zu formal-inhaltlichen Ergebnissen führt. Zeitgenössisch betrachtet ein überholter Ansatz. Entweder Form und nur Form, oder reiner Sinn ohne Form. (04.05.2016-1)
Letztlich entscheidet der Geschmack (die persönliche Vorliebe) - der hoffentlich ein guter ist - in Sachen Kunst. Darüber sollte nicht vergessen werden, zu lernen, was zu wissen ist. Wissen trägt in künstlerischer Hinsicht zwar wenig zur Einsicht bei, gibt aber Aneignungssicherheit (und beruhigt die Nerven). Wesentlich: Geschmack kommt von Schmecken. (04.05.2016-2)

Der schöpferische Mensch befindet sich im Moment der schöpferischen Tat inmitten der Welt, an zentraler Stelle. Im Moment der Verwirklichung wohlgemerkt, nur dann. (29.05.2016)

Im Zentrum künstlerischer Arbeit: sich gemäß Eingebung fähig machen (befähigen). Ein tätiges Leben also. (19.06.2016)

Man muss an sich glauben. Das ist Grundvoraussetzung für das Schaffen von Kunst. Danach erst kommen dann die Einfälle, das Handwerk und der Fleiß. Die Genialität des Zufalls. (14.07.2016)

Kapital stört den Spielfluss. (17.07.2016)

L'art pour l'art, meist abfällig gemeint bis hin zur Schmähung, die Sache aber auf knappe Art kennzeichnend. Das begreiflich Unfassbare findet seinen reinsten wie reifsten Ausdruck hier, in sich und über sich hinaus. (18.07.2016)

Wie kommt man zu seinen Themen und Ausdrucksweisen? Eine Zeit lang schaut man auf andere, orientiert sich an Vorbildern. Irgendwann erkennt man schmerzlich, dass dort nicht zu finden ist, was man sucht. Denn im Grunde sucht man ja sich selbst, muss also Entdeckungen machen in ureigenster Sache. Man muss unterwegs sein, das dämmert dann, außen wie innen, und vielleicht doch mehr innen. Was man nicht aufsucht, kann man nicht entdecken. Die Suche nach sich selbst ist wohl der stärkste und zugleich verschwiegenste Antrieb künstlerischer Produktion. (19.07.2016-1)
Übrigens verrichte ich meine Arbeit stehend, weitgehend, fast ausschließlich. (19.07.2016-2)

Sieh den Wert deines künstlerischen Arbeitens im Umkehrschluss. Alles, was es nicht vermag, seine Lücken, Brüche und Ungelenkigkeiten, macht es stark und bedeutsam. Es zählt zuletzt immer der Ausdruck. Wie du zu ihm findest, ist ihm vollkommen egal. (21.07.2016)

Eindringlichkeit. Ein charakteristisches und bedeutungsvolles Bildphänomen (und Bild ist ja alles, ganz gleich um welche künstlerische Ausdrucksform es sich handelt), das weit über sich hinausreicht. Ohne Eindringlichkeit keine Berührung. Was eindringt, hat unweigerlich berührt. Betroffen sind vor allem die Empfindsamen, die gemeinhin als schwache Naturen bezeichneten, die aber alles andere sind als schwach. (28.07.2016)

Kunst als Erschließung des Innengebiets. Alles Wahrnehmbare darauf zielend, Ausdrucksmittel in diesem Sinne zu sein. (29.07.2016)

Ein kleines Kalenderblatt fiel mir in die Augen. "Büste eines Greises mit goldener Kette". Rembrandt. Das passiert mir hin und wieder. Ich sehe etwas und bin hingerissen. Darauf dann der Wunsch nach mehr. Und schon stecke ich mittendrin in Bildbetrachtung und Lebensrecherche. Warum das Ganze? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Rein aus Bildungsgründen sicherlich nicht. Aber ich will mehr wissen, weiteres sehen, das schon. Irgendwie interessieren mich Urheber, Lebensumstände, das Mögliche wie Unmögliche einer Biografie. Eine Zeit lang lasse ich mich betreffen von einem anderen Wesen gemäß verfügbarer Überlieferung. Am Ende scheint nichts Rechtes dabei herauszukommen. Aber ich bin mir sicher, dass mein zeitweiliges Studium einen tieferen Sinn birgt. Aufnahme, Verarbeitung, Generierung eigenen Erlebens und Verstehens. Eine Art Ernährungsvorgang auf künstlerischer Ebene. (01.08.2016)

Eine bildmäßige Gestaltung ist nicht unbedingt abbildungsmäßig. Sie richtet sich nach den Bedingungen und Erfordernissen eines inneren Sehens am Bild. (19.08.2016-1)
Die Bildfläche ist nicht nur Planungsraum, sondern ein Erlebnis- und Erfahrungsfeld, auf dem sich die länger oder kürzer reichende Geschichte (Entstehungsgeschichte) eines Bildes realisiert. (19.08.2016-2)

Drei der vier Blüten waren herabgefallen. Sie lagen wie zufällig gefallen, wohl platziert und in stimmigem Verhältnis zueinander. Schönheit ging von diesen Gefallenen aus, Substrat von etwas, das man nicht machen kann, und das gerade deshalb schön zu nennen ist. (20.08.2016)

Kunst spielt mit dem Möglichen. Sie lebt mit dem 'Noch nicht, aber vielleicht doch', in ihm und aus ihm. Wäre alles realisiert und realisierbar, es gäbe sie nicht. (30.08.2016)

Kunst lebt verschwenderisch im Moment. Sie wird aus Augenblicken heraus geboren und vergeht augenblicklich. (31.08.2016)

Ein Symptom. Die Präsentation, besser die Performance, überwiegt das zu Präsentierende. (12.09.2016-1)
Das Abenteuer Kunst, das Abenteuer Leben: man weiß nie, was kommt, aber man tut so als wüsste man es. (12.09.2016-2)

Künstlerische Arbeit verdankt alles dem Zufall. Unter seiner Anleitung arbeitet man zuerst gegen sich selbst, dann mit sich und im gelingenden Fall über sich hinaus. (18.09.2016)

Die nicht zum Prinzip erhobene, aber doch besonders betonte Regellosigkeit des Ausdrucks in allen Kunstdingen. (19.09.2016)

Kunst lebt zwischen Allgemein- und Individualgültigkeit. Auch die Erzeuger, die sich bei jedem Werk, das sie schaffen, fragen und fragen lassen müssen, ob es nur für sie selbst oder auch für andere von Belang sein könnte, teilen diesen Zwiespalt. Einerseits im Enthusiasmus der Urheberschaft, andererseits im Spiegel der Rezeption. (20.09.2016)

Wirklichkeit ist nicht fixiert, sondern beweglich, in permanentem Wandel. Das betrifft die künstlerische Realität in besonderem Maße. (22.09.2016-1)
Form, wenn sie stimmt, ist immer wirksam. (22.09.2016-2)

Kunst hält sich fern. Welche Bedeutung diese, durchaus labile Freiheit besitzt, kommt meist spät zu Bewusstsein, manchmal nach vielen Generationen erst. Plötzlich beginnt das Fernbleibende zu überzeugen. (04.10.2016)

Kunst gleicht einer spielerisch-geistreichen Bemerkung, die Wahrheit und Fiktion in ein amüsant nachdenkliches Verhältnis setzt. Zurück bleibt gespanntes Lächeln. (03.11.2016-1)
Qualitätsfanatiker in Sachen Kunst meide ich, die also, die immer genau wissen wie etwas zur Erscheinung zu kommen habe. In ihrer Nähe ist mir die Luft zu dünn und das Licht zu kalt. (03.11.2016-2)

Eine Bildidee kann auch hinterher entstehen, auch wenn sie - nach allgemeiner Meinung - vorher da sein müsste. (08.12.2016)

Den Moment der Inspiration (Intuition, Imagination, wie auch immer) halte ich für entscheidend im künstlerischen Fortgang. So kurz, so bedeutend. Wesentlich länger allerdings währen vor-, auf- und nachbereitende Tätigkeiten. (15.12.2016)

AFG, 2016


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