Notizen 2015


Selbstvergewisserung ist eine Frage der Kreativität, genauer des Künstlerischen Dialogs. (02.01.2015)

Kunst als biografisches Ereignis ohne Biografie. (04.01.2015)

Meine Werkzuversicht zunächst gering. Die unterschwellige Frage jedes Mal, warum überhaupt. Gestaltungsmut stellt sich ein erst im Verlauf der ersten Schritte (wenn sie gelingen). Die muss ich gehen, die zumindest, damit er sich einstellt. (05.01.2015-1)
Kunst auch Unterhaltung, ein schöner Zeitvertreib, warum nicht, aber darüber hinaus immer noch etwas anderes, unbedingt. (05.01.2015-2)

Ist alles etwas, dann bestünde etwas aus allem, wäre insofern als etwas nicht mehr erkennbar, da es sich von anderem nicht unterscheiden würde. So etwa, wenn alles Kunst ist. (08.01.2015)

Der Künstlerische Dialog fordert je nach Situation Plus- und/oder Minusentscheidungen. (09.01.2015)

Kunst lebt davon, dass Entwurf (Projektion) und Ausführung (Produktion) sich prozessual die Waage halten. Es handelt sich dabei um ein situativ offenes Geschehen. (05.02.2015)

Je unbedingter Kunst, je weniger gemacht, desto relativer, weniger allgemeingültig ihr Erscheinungsbild. (10.02.2015-1)
Die berührende Erfahrung unbedingten Kunstschaffens (Künstlerischer Dialog) könnte mich zu der Annahme verleiten, ich sei in Tun und Resultaten einzigartig, was richtig ist und falsch zugleich. Ich bin - vor allem prozessual betrachtet - besonders nichts Besonderes. (10.02.2015-2)
Das Erlebnis des Unbedingten im Künstlerischen Dialog stellt kein Alleinstellungsmerkmal dar. Im Prinzip ist es allen zugänglich. Es ist oder es ist nicht. (10.02.2015-3)

Kunst entsteht aus Spannung. Spannung baut sich auf aus Zweiheit, die das eine will. (12.02.2015)

Der Zufall als Phänomen prinzipieller Offenheit. Ist er deshalb unbedingt? Zum einen ja, als meinem willentlichen Zugriff unerreichbar Zukommendes, zum anderen nein, da er als zufallendes Ereignis mich als Adressaten braucht. Das bedeutet auch: ich ohne Zufall bin nichts wie der Zufall ohne mich nichts ist. (15.02.2015-1)
Die Mehrheit lebt ohne Philosophie und ohne Kunst. (15.02.2015-2)

Kunst ist in jedem Fall eine hervorzubringende, eine zu verwirklichende, auch rezeptiv. (22.02.2015-1)
"Aller Anfang ist schwer", deshalb fange ich gerne mit schon etwas Angefangenem an. (22.02.2015-2)

Keine Fertigstellung bewahrt vor Leere wie die Leere einem Beginnen nie im Wege steht. (24.02.2015)

Dass es überhaupt Leben gibt, erweist sich als Tatsächlichkeit des Schöpferischen, das nichts auf sein Schöpfertum hält. (25.02.2015)

Der Künstlerische Dialog ist ohne Grund. Erreichen will er nichts. Man setze ihm also kein Ziel. (02.03.2015)

Mein Antrieb ein Außen abzubilden ist gering, als ob ich da nichts Wirkliches finden könnte. (11.03.2015)

Bedeutung besitzt ein Bild immer. Die Frage ist nur, welcher Quelle sie sich verdankt. (13.03.2015-1)
Avantgarde erlebe ich mich nur im Prozess. (13.03.2015-2)

Das Fragment fordert eine Geste (der Vollendung), die das Vollkommene bereits zu kennen scheint. (16.03.2015-1)
Man rezipiert immer aus dem eigenen Innengebiet. (16.03.2015-2)

Wirklich interessant wird alle Kunst erst in der Situation des Gegenstands. Man setzt sich in Beziehung zu einem Gegenüber, gibt sich ihm preis. Man erfährt (auch rezeptiv) leibhaftig, was Kunstarbeit eigentlich ist. Es gibt nur eine Form der Kunst und die ist gegenständlich. (17.03.2015-1)
Wesen des Bildes ist, Bild zu sein. Bild wird es durch Bilden. (17.03.2015-2)
Worte mit gestalterischer Potenz: Anordnung, Zusammenstellung, Entwurf, Bezug, Vielschichtigkeit, Ausdruck und Eindruck, Präparierung, Dichte, Spannung, Eingebung, Einfall und Zufall, ... (17.03.2015-3)

Das Imaginäre, niemals ansichtig und immer gegenwärtig. (18.03.2015-1)
Wenn ich künstlerisch arbeite, schlage ich die Zeit tot. Keine einfache Angelegenheit. (18.03.2015-2)

Den Gestaltungsprozess solange vorantreiben, bis zwischen Gestaltetem und Gestalter weitgehende Übereinstimmung herrscht. Interessant dabei, dass sich die Lösung dieser Identitätsfrage wie von alleine (zufällig, zukommend) ergibt (sich nähert). Siehe Künstlerischer Dialog. (20.03.2015-1)
Bildung (zum ersten) hat mit reinem Wissen wenig zu tun, viel aber mit Aneignung und Expression.
Bildung (zum zweiten) ist ohne Wissen nichts. Noch weniger aber ist Wissen ohne Bildung.
Bildung (zum dritten) ist Kenntnis von Zusammenhängen, die so oder anders sein können.
Bildung (zum vierten) ist ein weit tragendes Geschenk, das Absender und Empfänger in eins fallen lässt.
Bildung (zum fünften) ist vor allem Herzenssache.
Was Bildung (zum sechsten) nicht ist: allgemein. (20.03.2015-2)

Kunst können alle, die sie machen (auch früher schon einmal gesagt, vielleicht mit anderen Worten, was auf eine besondere Bedeutung der Frage nach künstlerischer Identität hinweist). (22.03.2015-1)

Meine Wahrnehmung bildet einen Ausschnitt. Kunst schneidet ein Loch hinein. (22.03.2015-2)
Kunsterkenntnis: Nie zum Ende kommen mit dem Anfangen. (22.03.2015-3)
Kunst bedarf wie der Mensch generell keiner Rechtfertigung. Sie entspringt einem vielleicht nicht immer vollbewussten Bedürfnis nach Dasein. Muss Kunst sich unter Beweis stellen, wird sie hinfällig. (22.03.2015-4)
Kritik urteilt von außen über andere und anderes, wo sie von innen her aus Sache und/oder Person poetisch erkennen sollte (wie oft misslingt mir dies). Möglicherweise bewahrt nur Poesie vor Verleumdung. (22.03.2015-5)

Kulturellen Angeboten nähere ich mich unter fortbildungsberuflichem Aspekt. Das ist in erster Linie Selbstschutz, der "Faden der Ariadne", der mich sicher aus dem labyrinthischen Palast der Kulturmöglichkeiten herausführt, bevor mich Kinos, Bühnen, Philharmonien und Museen verschlingen. (24.03.2015-1)
Kunst ist ein Bildungsereignis, und wenn sich nichts ereignet, zumindest ein Angebot zu bilden (ein Bildungsangebot). (24.03.2015-2)

Man kann vieles sammeln, auch Kunst. Besser aber, man sammelt sich vor ihr, mit ihr, in ihr. (25.03.2015-1)
Kunst bietet Anlass, sich einzulassen. (25.03.2015-2)

Alle Kunst ist per se bedeutungsvoll. Zu unterscheiden ist zwischen Inhalt und Form (siehe Werner Hofmann's "Grundlagen der modernen Kunst") und allen möglichen Mischungen, die entweder das eine oder das andere mehr betonen. Doch teile man nicht, was im Grunde genommen zusammengehört. (28.03.2015)

Idee, Entwurf, Umsetzung, Durchgestaltung - manchmal auch in anderer Reihenfolge - wiederholter Maßen. (31.03.2015)

Kunst immer wieder neu, aber mit dem Wissen, der Kenntnis, der Erfahrung des Vorherigen. Also doch nicht so neu? - Vielleicht neu in dem Sinne, alles Erfahrene auch sein lassen zu können, eventuell, sollte es nötig sein (was wohl auch nur bedingt möglich ist; wer vermag schon über seinen eigenen Schatten zu springen?) (01.04.2015-1)
Wann ist eine Linie (als künstlerisches Ausdrucksmittel) von Bedeutung? - Wenn sie nichts anderes zum Ausdruck bringt als sich selbst? Wenn sie über sich selbst hinaus einen Inhalt klar umreißt? Oder wenn sie zugleich Inhalt wie Selbstausdruck, Selbstausdruck wie Inhalt verdeutlicht? (01.04.2015-2)
In der Kunst kommt es entscheidend auf das Überflüssige an. (01.04.2015-3)
Eine spezielle Art lebenspraktischen Denkens (kann man da überhaupt von Denken sprechen?) lässt jegliche Phantasie vermissen. Dass menschliche Lebenspraxis sich auch der Einbildungskraft verdankt, ist ihr völlig fremd. (01.04.2015-4)

Kunst zum Beruf zu machen, verlangt vor allem Phantasie (und einen Beruf). (02.04.2015)

Ganz unangenehm, die Historie zu bemühen, um die Aktualität künstlerischen Ausdrucks zu bemessen. Was schert's die Kunst, ob sie aktuell ist. (05.04.2015)

Kunst auch eine metaphysische Dimension, also nichts für ein geistfernes Klima (heute kaum mehr zu vermitteln). Eine Linie ist eine Linie, dann eine Geste und darüber hinaus ein Symbol (möglicherweise). (09.04.2015)

Für manche ist Kunst eine Notwendigkeit. Sie leben aus einem Mangel hin zur Ästhetik (Gestaltungskraft und Ausdruckswille als menschliches Bedürfnis). Sicher nicht alle oder nicht alle bewusst. Doch vielleicht auch sie, solange eine, wenn auch noch so geringe, kreative Regsamkeit in ihnen vorhanden ist. (15.04.2015-1)
Doch, Kunst ist schon auch Leben. Man überlässt sich dem Unbestimmbaren bestimmt. Aber wem gelänge das zur Gänze? Bleiben Inseln der Seligkeit, kleine, sehr kleine Eilande mit karger wie rätselhafter Vegetation. (15.04.2015-2)

Ausdruck ist immer. Vom ersten Faustkeil, der nicht ausschließlich praktischen Gesichtspunkten gehorchte, bis heute ein andauernder Expressionismus. Vital Rohes neben staunenswert erstaunlicher Verfeinerung. (16.04.2015-1)
Was ich außerhalb meiner selbst kritisiere, wird zu Kritik an mir selbst, unweigerlich. Synchron die unbequeme Frage, ob ich selbst dem gewachsen wäre, was ich außerhalb kritisiere, ob ich realisierte, zur Lösung brächte oder vermeiden könnte, was mir Anlass zum Urteil gibt. Die Bilanz fällt wenig schmeichelhaft aus für mich. Eigentlich sollte ich schweigen, Kritik üben nur an mir selbst. (16.04.2015-2)

Kunstkritik sollte kein Urteil fällen, sondern anschauungsstreng wie ergebnisoffen besprechen (reflektieren). (19.04.2015-1)
Form gleicht einem Schiff, das in erster Linie schwimmen muss, egal, was es transportiert. (19.04.2015-2)

Manchmal geht's zu schnell. Das vermeintliche Gelingen eines Werks wird mir dann unheimlich. Fast ein Indiz, dass etwas nicht stimmen kann (wenn auch nicht in jedem Fall). Also Lassen, Beobachten, Stunden, Tage, Wochen ... Möglich auch, dass ich von vorn anfange. Das kostet Kraft, eine vergebliche Anstrengung mit einer neuen zu beantworten. Auch die eigene Urteilsfähigkeit unterliegt Schwankungen. Wenn mir eine Arbeit nach Jahren noch gefällt, dann muss es sich wohl um ein gelungenes Werk handeln. (21.04.2015)

Kunst ist für Wenige anziehend geheimnisvoll, auf mysteriöse Weise berührend, aller Auseinandersetzung wert. (22.04.2015)

Was zufällt, ist essentiell. (23.04.2015-1)
Alle Kunst ist (Ver)Dichtung. (23.04.2015-2)

Mit sicherer Hand, was heißt das für den Gestaltungsprozess? Dass eine Linie nicht wackelt, eine Farbe passend sitzt? Ist da ausschließlich eine motorische Fertigkeit gemeint? Wie wäre es mit Ausdrucksvermögen (mit mehr oder weniger sicherer Hand), einer - auch motorisch - zu realisierender Balance von Innen und Außen? Vieles wäre und ist möglich und darf sein, sofern es stimmt. (27.04.2015-1)
Ein Problem, zu beurteilen, ob ein Werk fertig ist, wenn man das Unfertige anstrebt. (27.04.2015-2)

Kunst dreht sich um sich selbst, lädt aber ein, sich mit zu drehen. (28.04.2015)

Was ist Stil in der Kunst? - Eine besondere Beziehung zu und innere Vertrautheit mit gestalterischen Ausdrucksformen, mit dem Erscheinungsbild eines Kunstwerkes weitgehend verschmolzen. (30.04.2015-1)
Stil gibt einem Inhalt Ausdruck, wie er einer Form zu einem Inhalt verhilft. Stillos wäre eine Form ohne Inhalt, ein Inhalt ohne Form. (30.04.2015-2)

Kunst ist nicht weiter von Belang, darum so einzigartig. (02.05.2015-1)
Je weiter ich mich der Kunst nähere, desto enger wird mein Begriff von ihr, bis ich mir irgendwann keinen Begriff mehr mache, vermutlich. (02.05.2015-2)

Fern davon etwas Neues zu schaffen, bleibt mir, getrieben aus einem Mangel, das je zu Schöpfende persönlich auszudrücken. Mein Gestaltungswille verschafft einem Neuen als schon Gewesenem Zugang. Das bin ich, das ist mein Werk. (04.05.2015)

Autorität der Kunst hat sich aus der Qualität ihrer Ausdrucksweise abzuleiten, aus nichts anderem. Ihre Erscheinung (ihr Erscheinungsbild) ist das maßgebende wie maßgebliche Qualitätskriterium. (08.05.2015)

Vieles in der Kunst, wenn nicht vieles mehr, verdankt sich melancholischer Grundstimmung. Die dunkle Seele pflegt eine besondere Affinität zur Helle. Auf ihrem Weg dorthin entsteht Werk. (13.05.2015-1)
Wie viel in einem Kunstwerk eingeschlossen ist, entscheidet darüber, in welchem Maß und Ausmaß es Aufschluss zu geben vermag. (13.05.2015-2)
Kunst führt über sich hinaus (alles andere ist Förmelei). Darüber lässt sich kaum reden im Lärmen und Toben der Moderne, dass Kunst etwas mit Transzendenz zu tun hat. Gegenwart ist mehrheitlich intranszendent. (13.05.2015-3)

Wie wäre dieses Bild? Kunst als Sendung. Unerheblich wie viele Empfänger es gibt und ob überhaupt empfangen wird. Es tut der Sendung keinen Abbruch. Hier über Quoten zu reden, wäre lächerlich. Allerdings: im Senden ist fast komplementär Empfang mitgedacht und umgekehrt. (18.05.2015)

Wiederholung und Wiederbegegnung als Themen später Kunst. Man hat sich kennengelernt, die eigenen Vorlieben und Abneigungen geklärt. Neues bietet sich zwar an, bleibt aber seltsam matt, als fehlte ihm die Jugendpolitur, die manches glänzender erscheinen lässt als es ist. Vielleicht ein tieferes Hinabsteigen von Mal zu Mal in den Entstehungsgrund (man hat ja jahrelang geübt). Aber auch der Eindruck (und es wäre töricht ihn zu verleugnen), dass, wenn überhaupt Neues, dieses blasser erscheint und die Hoffnung auf wenigstens zarte Ereignisse kontinuierlich schwindet, als ob Abschied betont werden müsste um noch je ankommen zu können. (19.05.2015)

Kreativität als interessengelenktes Massenphänomen. Auf den Breitensport folgt die Breitenkunst. Vermittlung an alle, egal um welche Inhalte es sich handelt, weil alle potentiell erreichbar scheinen (müssen?). Das Kommunikationsgesetz unserer Tage. Wer um die tiefere Dimension des Creare weiß, wendet sich mit Schaudern ab. Die tiefere Dimension? Eben. (20.05.2015-1)
Pathos in der Kunst? Das geht nur mit Empathie. (20.05.2015-2)

Kunstinstinkt, in Sachen Kunst den richtigen Riecher haben, unmittelbar wissen, was stimmt, ohne große Debatten, Rechtfertigungen, Kunstvermittlung. (22.05.2015-1)
Kulturelles Gedächtnis (ein Bildungsmerkmal) als anhaltender Aneignungsprozess (der viel mit Zueignung zu tun hat) menschlichen Ausdruckswillens und menschlicher Ausdruckskraft. (22.05.2015-2)

Kunst als Exegese, die ihrerseits Exegese nach sich zieht. (26.05.2015)

Kunst und Familie lassen sich schwer vereinbaren. Irgendetwas bleibt immer auf der Strecke. (28.05.2015-1)
Kunst. Spielfreude gepaart mit Formbewusstsein und ohne Ambitionen, wenngleich nicht ohne Anspruch. (28.05.2015-2)

Meist ahnen Menschen wenig von dem, was hinter einem Kunstwerk steht. Sie sehen Farbe und Form, aber sie sehen es ohne die zugehörige Geschichte. Diese zu identifizieren fehlt ihnen Phantasie, möglicherweise auch Geduld. KünstlerInnen aber benötigen beides in Theorie wie Praxis. (29.05.2015)

Einfach (!?) nur beginnen. Einen Satz hinschreiben, eine Farbe setzen, eine Form. Der erste Schritt, vielleicht der wichtigste neben dem letzten. Alles weitere (fast von allein, nein, das wäre übertrieben) dann Schritt für Schritt längeren oder kürzeren Ausmaßes. (02.06.2015-1)
Mein Tun bedarf der Ergänzung. Ohne Zukommnis bleibt es unvollendet, ein Zustand ohne Bestand, Aufwand ohne Rechtfertigung, eine Halbwahrheit. Antwortlos, bisher, bleibt die Frage woher. (02.06.2015-2)

Sehnsuchtsvolles Beginnen wie das Unabgeschlossene, Vorläufige, damit verbundener Entstehungsprozesse (dieser unaufhörliche Entwicklungssog) bestimmen mein Leben und meine Lebendigkeit. (04.06.2015)

Kunst ist frei. Ihr gegenüber gibt es kein Muss. Deshalb vermag sie auch nichts zu ändern an Welt und Lauf. Eine bittere Erkenntnis für künstlerisch veranlagte Menschen mit gesellschaftskritischem Anspruch. Im Licht hoher Ideale können sie benutzt werden, wenn nicht gar manipuliert (in Werk und Person), manipuliert von einem sich selbst genügenden Establishment zwielichtiger Beweggründe. Warum also nicht auf die Kernkompetenz pochen, auf eine Fähigkeit, die nirgends anders zu finden ist als in der Kunst? Warum nicht ernst machen mit der Phantasie? (16.06.2015-1)
Kunst bleibt begreiflicher Weise immer unbegriffen, will sagen, es verbleibt ein transzendenter Rest (als existentielle Möglichkeitsform), der letztlich alles ausmacht. (16.06.2015-2)

Sinnvolle Kunst kann dekorativ sein, ideologisch (welcher Idee auch immer nach), werbewirksam, welterklärend. Sie ist vermeintlich alles, was sie eigentlich nicht ist. Im Grunde genommen braucht man sie nicht. (21.06.2015-1)
Kunst ist auch Geschmacksache, eine Angelegenheit persönlicher, subjektiver Erfahrung. An der Tatsächlichkeit des Schmeckens allerdings kommt man nicht vorbei. (21.06.2015-2)

Der Mensch organisiert sich ästhetisch. Er wird nicht, sondern er ist von Anbeginn ein ästhetisches Wesen. Ästhetik fasst die Summe seiner Im- und Expressionen in sich. (22.06.2015-1)
Keine Erkenntnismethode vermag den Tatbestand Kunst vollkommen aufzuklären und sei sie noch so raffiniert. Trotz aller Beurteilungsschärfe bleibt immer ein Rest Geheimnis, unantastbar, nicht zu sagen, eine unsichtbare Anwesenheit, die nur situativ erleb- und erkennbar wird. Vagheit des Begreifens ist Teil jeder noch so objektiv scheinenden Kritik. (22.06.2015-2)
Gelingen heißt Innehalten im rechten Moment. (22.06.2015-3)

Kritik gibt im besten Fall einen reflektierten Ausdruck subjektiven Erlebens wieder. Mit Erkenntnis hat sie nur insofern zu tun, als sie sich um Verständlichkeit bemüht. Persönliche Zu- wie Abneigung ist durchaus erlaubt. Der eigene Geschmack als Zünglein an der Waage. Ihm Subjektivität vorzuwerfen, verkennt die Situation kritischen Sachverhalts. Je subjektiver der objektive Blick und je objektiver der subjektive, desto besser. (24.06.2015-1)
Kunst ist weder von allgemeinem Interesse noch von allgemeinem Nutzen. (24.06.2015-2)
Ein Künstler, der etwas zu sagen hat, und keine Rezipienten findet, ist schlimm dran. Noch schlimmer geht es Rezipienten, die keinen Künstler finden, der ihnen etwas sagt. (freie Bearbeitung aus "Ges. Werke, Bd. VIII, Schriften 2", B. Brecht, Suhrkamp Verlag, S. 121) (24.06.2015-3)

Vom Abbild zum Gegenstand führt ein weiter Weg, in ein offenes Terrain, dessen Grund schwankt. Er konfrontiert mit Fragen des Gegenstands, dementsprechend bildnerische Lösungen jeweils erst zu finden sind. Mühsam will man sich an vergangene Erfahrungen halten, was nicht das schlechteste ist, muss aber erkennen, dass einem diese Erfahrungen nicht viel nutzen. Denn es geht hauptsächlich darum, für die alte Frage, das heißt: wie im Gegenstand sein?, also im Bild, jeweils eine neue Antwort zu finden und sei sie auch noch so schmal. (29.06.2015-1)
Eine Kunst der Betrachtung (die Betonung liegt auf Kunst) ist ähnlich der Kunst der Hervorbringung eine Angelegenheit des Künstlerischen Dialogs. Manches weiß man, manches lernt man dazu. Das Wesentliche stellt sich ein. (29.06.2015-2)

Wer es mit der Kunst ernst meint, wird nie sagen, er habe für die reine Notdurft gelebt, selbst dann nicht, wenn er in Not war. (30.06.2015-1)
In der Kunst dokumentiert das Werk poetischen Forschungsanspruch. Jeder Künstler also auch ein Forscher. (30.06.2015-2)
Ohne Widerspruch sein. Etwas schaffen ohne den geringsten Anlass zur Kritik. Vorteilhafter, weil lebendiger, entwicklungsträchtiger wäre, Widerspruch mit zu fassen, ansatzlos widerspruchsvoll zu sein, das heißt ausgesprochen subjektiv. (30.06.2015-3)
Anspruchsvoll ausdrücklich in der Kunst ist die Begegnung von Form und Sinn. (30.06.2015-4)
Hineinfinden und Entgleiten, Gewinn wie Verlust, Merkmale künstlerischen Dialogs. (30.06.2015-5)

Mit den gegensätzlichen Begriffen Expressionismus und Impressionismus tat ich mich schon in der Schule schwer. Mir leuchtete der Unterschied nicht wirklich ein, will sagen, ich empfand ihn als willkürlich gewählt und darüber hinaus das Gestaltungsprocedere vernebelnd. Künstlerisch tätige Menschen sind von Berufs wegen beides und müssen es sein, Impressionisten und Expressionisten. Was in ihrem Werk dann wie zum Ausdruck kommt ist etwas anderes: Expression (im Sinne Arno Sterns vielleicht) in jedem Fall. (01.07.2015)

Verwirklichung ist auf Imagination (Einbildungskraft, Vorstellungsgabe, Phantasie) angewiesen, während die Welt der Vorstellungen meist das bleibt, was sie ist, realitätsfern. (03.07.2015)

Was nicht hinreicht wird nicht besser durch Veröffentlichung. Im Spiegel allgemeiner Sichtbarkeit wird es sich noch fremder als es vorher, da noch niemandes Blick es traf, schon war. (08.07.2015-1)
Auch wenn Teilaspekte an und in einem Kunstwerk (kunstkritisch) bestimmbar sind, ist es doch mehr als die Summe seiner Teile. Dieses Mehr ist kritisch unerreichbar, bedarf aber einer bewussten Wahrnehmung. (08.07.2015-2)

Kunst - obwohl selbst Teil der Realität - ist eine autonome Wirklichkeit. Sofern es sich um (be)treffende Kunst handelt, bleibt ihr Genuss niemals folgenlos, besitzt aber nichts Verpflichtendes, außer dass man sich und sein Wahrnehmen ernst nimmt. (09.07.2015-1)
Werk entsteht aus Verlust dessen, was ich (in weiterem oder engerem Sinne) beabsichtigte, zu Gunsten dessen, was sich einstellt, was mir zufällt. So werde ich im Laufe der Zeit, mit zunehmender Arbeitserfahrung, Experte in Sachen Zustellung. (09.07.2015-2)

Kunst ist mehr als die Summe ihrer ästhetischen Fakten. In welcher Weise und in welchem Umfang hängt vom Urheber ab, aber auch von Aufnahme, Auffassung, Wahrnehmung. (23.07.2015-1)
Ästhetische Wahrnehmung ist Tätigkeit künstlerischen Erkennens. (23.07.2015-2)
Formen hat mit Formulieren zu tun. Man sucht nach dem passenden Ausdruck. (23.07.2015-3)

Dass ich gerne unzufrieden wäre, kann ich nicht behaupten. Aber ich schätze eine gewisse Art des Unzufriedenseins, die mit mir unauflöslich verbunden ist. Sie treibt mich an. Nichts Neues entstünde ohne sie. Ihr Urteil signalisiert, es neu und neu und neu zu versuchen. (28.07.2015)

Kunst vervollständigt sich in der Objektivität subjektiven Schauens. Wo sie berührt ist, vermag sie auch zu berühren. (05.08.2015)

Es ist von Vorteil für Werk und Künstler, zu einer wiedererkennbaren Ausdrucksweise zu finden, zu mindestens einer. Es kann auch von Vorteil sein, sie zu verlieren. (07.08.2015)

Der sogenannte gesunde Menschenverstand, ein einfaches, klares Empfinden für das Rechte, für das, was geht oder nicht geht. Ihm ähnelt in der Kunst der Stimmigkeitsblick. (12.08.2015)

Auch Kunst ist berechenbar geworden, etwas, das sie aus sich selbst heraus nie und nimmer ist, geschweige denn sein kann. Man misstraut den Empfindungen, was ich verstehen kann. Aber ein Leben ganz ohne sie? (22.08.2015)

Im Nachhinein bleibt immer die Kunst. Kaum eine vor aller Welt ausgezeichnete Menschenörtlichkeit besäße diese Auszeichnung ohne sie. Die Dinge und Angelegenheiten des täglichen Lebens haben wenig bis gar keine Zukunft. Wenn überhaupt, bleibt Kultur (für eine gewisse Zeit). (26.08.2015)

An einer Gesinnung, die sich nur auf Alltägliches richtet und an ihm orientiert, an einer Alltagsgesinnung also, scheitert Kunst immer. Völlig ausgeschlossen, dass eine künstlerische Haltung zu integrieren wäre, die immer auf irgendeine Weise über diese Gesinnung hinweg leben muss, um zu überleben, auch dort, wo sie notwendig scheint. Dabei vermag sie sich bis zur Selbstverleumdung zurückzuziehen, rückhaltlos das Primat des Handelns aus der Hand zu geben. Das ist das Gegenteil von Integration. Das ist Scheidung. (02.09.2015)

Was wirklich ist, bestimmt der Prozess. Das fortschreitend Reale, fortschrittlich und nur im Fortschritt real. (04.09.2015)

Genau genommen bin ich nicht in der Lage, anzugeben wie ein gutes Werk zustande kommt. Klar, die Beherrschung handwerklicher Mittel und Abläufe. Aber verschleiert die Frage nach dem Können nicht mehr als sie aufzudecken im Stande ist? Dass sich etwas Stimmiges realisiert, jetzt, bleibt mir geheimnisvoll (und darf und soll es bleiben). Ich spüre diesen Vorgang mehr, als dass ich ihn wüsste. Wer will, kann von einem mystischen Erlebnis sprechen, ein durchaus möglicher, wenn auch etwas zwiespältiger Begriff. (09.09.2015)

Stil ist eine Frage der Form, die durch Arbeit an der Form beantwortet wird. Stillos gleich ohne Form. (10.09.2015)

Frage ich mich, warum meine Arbeit für andere Menschen von Interesse sein soll, muss ich zugeben, dass ich das nicht weiß. Es mag Gründe geben, aber möglicherweise überschätze ich sie (auf Grund persönlicher Verbundenheit) und mag sie darum nicht anführen. Man ist sich selbst gegenüber ein mangelhafter Kritiker. (22.09.2015-1)
Im Grunde genommen liegt mir nicht viel daran, andere zu überzeugen oder mit ihnen konform zu gehen. Es wird mir, je älter ich werde, mehr und mehr lästig. Was geschaffen ist (Bild, Objekt) gilt, nicht die Diskussionen und Exegesen. (freie Bearbeitung aus "Briefe an F.W. Oelze 1950 - 1956", Gottfried Benn, Limes-Verlag Wiesbaden, S. 12, Nr. 464) (22.09.2015-2)

Kunstfirlefanz, so mag mancher sagen und sagt es auch (hinter vorgehaltener Hand), manchmal, eine Zumutung, was richtig ist, da Gebildetes für Ungebildete immer eine Zumutung darstellt. Spricht man dann von Liebhaberei, ein wackliges Wort, macht mir das nichts aus (nicht mehr), denn ich habe mein Tun wirklich lieb gewonnen. (23.09.2015)

Ohne Liebe komme ich nicht weiter, auch künstlerisch nicht. (25.09.2015)

Künstlerische Arbeit aus sich selbst gerechtfertigt. Weder Verkaufserfolge, noch günstige Besprechungen ersetzen Bestätigung prozessualen Gelingens. Finden Außenstehende Zugang, so freut man sich, können sie keinen Bezug herstellen, ist das auch kein Beinbruch. (06.10.2015)

Ich bin mir selbst unausgesetzt ausgesetzt. Das liegt an meiner Arbeit. Wer mit Farben plempert und den Stift kritzeln lässt, landet unweigerlich bei sich. Aber wer will schon immer auf sich selber stoßen. Irgendwann hat man sich über. Geschmack und Fühlung auf Null. Als ob sie nie existiert hätten. (08.10.2015)

Dem Antrieb zum Kunstereignis steht bei mir eine fast ebenso große Hemmung gegenüber, die im Brustton der Überzeugung zu sagen scheint: lass' es sein. Die Ratio, unverzichtbar zuzeiten und zuorten, ein Spieltriebkiller ohnegleichen. (01.11.2015)

Man lasse sich nicht täuschen von der komfortablen, schier unbegrenzten Verfügbarkeit der Kunst. Im Grunde genommen ist sie alles andere als verfügbar, solange man nicht anhält. (19.11.2015)

Planvoll geht nicht, planlos auch nicht. Was man in Sachen Kunst können muss, weiß heute kein Mensch. (03.12.2015-1)
Kreativität ist zu einem großen Teil irrational. (03.12.2015-2)

Wie ein Werk ausdrücklich in Erscheinung treten müsste, wäre zu verändern in ein 'wie es sein könnte', oder noch besser: was macht ein Werk mit seiner spezifischen Ausdruckskapazität mit mir (und ich mit ihm). (07.12.2015)

Kunst ohne nennenswertes Publikum. Rezeption als Privatsache. (18.12.2015)

Im Umgang mit Kunst gibt es keine privilegierte Bedeutungsschöpfung. Jeder Rezeptionsprozess hat ein (Natur) Recht auf eigene Empfindung und Erfahrung. (freie Bearbeitung aus "Des Lesers Selbstverständnis" in "Vormittag eines Schriftstellers", Martin Walser, Suhrkamp Verlag, S. 165) (29.12.2015-1)
Wer sich mit Kunst auseinandersetzen will, sollte einbildungsoffen sein. Nicht nur auf produktiver Seite ist Kunst ein fantasievolles Geschehen. (29.12.2015-2)

Über die Bedeutung meiner Arbeit urteile ich selbst. Bedeutend ist das, was mir zufällt, solange ich strebe. Darüber kann ich urteilen. (31.12.2015-1)
Lesenden und darum auch hörenden Auges zu den Bildern, die nicht unbedingt eine Geschichte erzählen müssen (obwohl jedes Bild seine Geschichte hat), aber eine Situation schildern. (31.12.2015-2)

AFG, 2015


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