Notizen 1993


Was gibt Kunst dem Menschen? Nicht mehr, aber auch nicht weniger, als ein Stückchen Freiheit, ein wenig Losgelöstsein vom bindungsreichen Leben im Spiegel ebendiesen Lebens. Es gibt da keine Verpflichtungen, ausser sich zu öffnen. Phantasie eben. (25.01.1993-1)
Als Künstler habe ich es immer mit dem Werden zu tun. Das Vergehen spielt dabei die Hebamme. (25.01.1993-2)

Der Zufall als Zukommendes, nicht bedingt, aber bedingend, nicht durch mich, aber auch nicht ohne mich. (30.07.1993)

Das Annehmen von Konflikten. Sie aus- und ertragen. Nichts Übersehen dabei, Achtgeben und Aufmerken. Achtung! Geduld im Aushalten. Vertrauen auf die Lösung, die sich, ohne gemacht zu sein, aber aus dem Tun heraus, einstellen wird. (31.07.1993)

Sich aufgeben, sich sein lassen in aller Geduld mit sich selbst und den Anderen. (04.08.1993)

Die Grunderfahrung ist: ich fühle mich voll und ganz allein ...... und schaffe doch im Vertrauen. Woher kommt also das Vertrauen? (05.08.1993-1)
Gott ist nicht, Gott wird. (05.08.1993-2)

Durchlässig sein und trotzdem in sich stabil. (06.08.1993-1)
Schweigen ist beredsam. (06.08.1993-2)
Konzentration und Entfaltung, das eine im Anderen und umgekehrt. (06.08.1993-3)

Der künstlerische Akt bringt Konflikte zu einer vorübergehenden Lösung. (10.08.1993)

Das Bild der Kerze im “Gevatter Tod” der Gebrüder Grimm. Altes muss vergehen, bevor Neues werden kann. Bewusstsein endet, Bewusstsein beginnt. Dazwischen ist Nichts. Werden und Vergehen gehen ineinander über. Eine Kerze verlöscht, ein Kerze entbrennt. (12.08.1993)

Das Leben formt den Menschen wie das Wasser den Stein. (16.08.1993)

Was ohne Begriff ist, besitzt nur eine vage Existenz. Sprache verleiht der Welt Form und Sichtbarkeit. Je mehr Sprache, desto bestimmter tritt Welt in ihrer Eigenart hervor. Sprache gibt der Erscheinung Dauer. Ohne sie wäre Alles unentschieden und flüchtig, wenn auch seiend. Sprache gibt Sicherheit, wo ansonsten Angst herrscht. (17.08.1993-1)
Das Gewordene ist in gewissem Sinne immer eine Abstraktion. Der gewöhnliche Blick bringt die Welt zum Stillstand. Welt aber ist Bewegung. Also muss man sie aus ihrer Bewegung heraus verstehen, eines am anderen, Übergänge, aber keine Grenzen. (17.08.1993-2)
Als Gewordener habe ich Grenzen, als Werdender nicht. (17.08.1993-3)

Bewusstsein kann nicht sein ohne Inhalt. Auch kein Inhalt ist ein Inhalt. Bewusstsein bezieht sich immer auf etwas, selbst wenn dieses etwas Nichts ist. Bewusstsein muss sich beziehen, um sich seiner selbst bewusst zu werden. Selbstbewusstsein richtet sich als individuelles Bewusstsein auf ein Selbst. (18.08.1993)

Rechtes Lesen macht das Herz warm. (19.08.1993-1)
Das Böse kommt durch den Menschen in die Welt, ebenso wie das Gute. Er hat die Wahl, ohne die Verantwortung dafür je ganz tragen zu können. (19.08.1993-2)

Wenn Abstumpfen droht, muss man sich enthalten. (20.08.1993)

Vertrauen beginnt da, wo ich als Mensch ende. (21.08.1993-1)
Liebe ist der glühende Wille zur Tat. (21.08.1993-2)
Künstler entwerfen eine Welt wie sie sein könnte, woran sich diejenigen erfreuen, die die Welt machen wie sie ist. (21.08.1993-3)

Wissen muss Erfahrung werden. (22.08.1993-1)
Dem Bösen verwandt ist die kalte Distanz zu sich selbst und allem drum herum. Das Gute ist der Welt und dem Selbst zugewandt. Vertrauensvolle Hinwendung erkennt aus der Mitte und handelt in der Gegenwart. (22.08.1993-2)

Erkennen heißt, auf der Suche sein. (26.08.1993)

AFG 1993


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