Notizen 1998


Mir geht es ganz unverdientermaßen gut. Warum andere und nicht ich? - Aber morgen, ja jetzt gleich, könnte es mich treffen. (02.01.1998)

Ein religiöser Mensch hat immer ein Herz. (05.01.1998)

Wie die Würde des Lebens ist auch die Würde des Todes unantastbar. (06.01.1998)

Das Schaffen überlegt sich nicht, für wen es schafft. Nur das Geschaffene wirft die Frage nach Bestimmung auf. (08.01.1998)

Was für mich selbst überzeugend ist, muss für Andere nicht dieselbe Überzeugungskraft besitzen. Allgemein gültige Wahrheiten gibt es nicht, nicht, weil es sie nicht gäbe, sondern weil sie von unterschiedlichen Menschen unterschiedlich wahrgenommen werden. Vielleicht ist die größte Wahrheit, die Wahrheit des Dialogs, der aufmerksam ist für die Momente des Redens wie des Schweigens. (09.01.1998)

Folgende Frage stellt sich Tag für Tag neu: was begegnet dir heute, das die Notwendigkeiten und engen Bedürfnisse deines Lebens zu übersteigen vermag? (13.01.1998)

Und wenn das Nichts nicht Nichts ist, ist es Etwas und doch Nichts. (17.01.1998-1)
Eine ganz normale Größe werden! (17.01.1998-2)
Brot allein hätte den Fünftausend gereicht. (17.01.1998-3)

Ich gehe fehl, wenn ich der Meinung bin, nur Eines oder nur Alles sein zu dürfen. Entweder - Oder? Nein. Sowohl - Als auch! Die Balance entscheidet. Im Künstlerischen wird sie sichtbar. (20.01.1998-1)
Theoretisches Arbeiten ist für mich wie Regen der im Boden versickert und an unvermuteter Stelle als Quelle wieder hervortritt. (20.01.1998-2)

Einmal mehr weiß ich, dass ich ein schwacher Mensch bin. (22.01.1998)

Geschichte ist immer Vergangenheit, je weiter zurück, desto mehr. (24.01.1998)

Vor allem mein Spieltrieb muss im Bilde sein. (26.01.1998)

Kleine Ideale, aber große Realisierungen. Stille Verwirklichung ohne Aufhebens, aber so zwingend in ihrem Dasein, dass gereiftes Schauen sich in ihr zu Ende kreisen kann. (01.02.1998-1)
Studien sind Aufschub des Gestaltungsaktes, ein Ausweichen auf Umwege, die manchmal selbst unbeabsichtigt eigentlich werden. Sie können Ordnung und Struktur geben, darüber hinaus so manche Anregung. Vor den vielerlei Unwägbarkeiten des künstlerischen Procedere allerdings bewahren sie nicht. Unerwartet folgt es seinen eigenen Gesetzen. Wer springt, kann auch stürzen. (01.02.1998-2)

Der moderne Künstler, gerade weil er so grenzenlos frei ist, muss sich disziplinieren. (03.02.1998-1)
Im Kleinen wie im Großen stellt sich dieselbe Frage: der künstlerische Prozess. (03.02.1998-2)
Künstler wird man immer unter der Gefahr, sich zu verirren. (03.02.1998-3)

Ich glaube an die Kunst und misstraue ihr zugleich, ich glaube an mich und bin mir zugleich ein Rätsel. (04.02.1998)

Der Beginn künstlerischer Arbeit liegt nirgends anders als da, wo er statthat. (11.02.1998)

Ich bin erwerbs-, nicht arbeitslos. (27.02.1998)

Es ist ja jeder Mensch an einer anderen Stelle richtig. Er muss nur herausfinden an welcher. (28.02.1998)

Scheinbar ist im Bereich bildender Kunst Alles gesagt. Und doch glaube ich, einen weiteren wesentlichen Beitrag zu leisten: nicht die Farbe und nicht die Form interessieren mich wirklich, sondern ihr Werden, ihr Entstehen im Augenblick künstlerischen Handelns, das mich zum Empfangenden und Gebenden macht. (28.04.1998-1)
Ich will nichts Gekonntes und übe doch. (28.04.1998-2)
Der schöpferische Moment ist nicht zwingbar. Seine Realisierung hängt nicht nur von mir ab. Ich kann bereit sein und sie misslingt. Und sie kann gelingen dort und dann, wo und wann ich sie am wenigsten erwartet hätte. (28.04.1998-3)

Indem man dem Zufall Eingang gewährt, schafft man Werke, die schwer bis überhaupt nicht zu kopieren sind. (29.04.1998)

Sinnhaftigkeit der Kunst offenbart sich vor allem im künstlerischen Tun. (30.04.1998)

Nicht nur wegen des Lärms ist Schweigen wichtig. Der Beginn liegt immer in der Stille. (06.05.1998)

Ein gutes Kunstwerk hat nicht Anfang, noch Ende. (08.05.1998)

Eine wichtige Frage im Leben: was ist überflüssig? (10.05.1998)

Vertrauen ins Getragensein. Solange man schwimmt, braucht man keinen Grund. (20.05.1998)

Suche in meinem künstlerischen Arbeiten das Zwingende, das, was sich im Gestaltungsprozess förmlich aufdrängt, unausweichlich. (22.05.1998-1)
Man kann auch in ganz beschränktem Rahmen Großes schaffen. (22.05.1998-2)

Gott bittet im Trotzdem. (25.05.1998)

Es geht um das Kennzeichnen der Identität. (26.05.1998)

Einkehr in aller Beharrlichkeit. Wenn tätig, dann von Innen her. Sammlung auf die Tat. Keine Geste wertlos, selbst die Kleinste nicht. (28.05.1998)

Wie soll man etwas benennen, das im Übergang ist, im Wesentlichen aus Übergang besteht? Prozess, nichts als Prozess! Vielleicht beschreibt man ihn am besten, indem man schweigt. (03.06.1998)

Hemmnis in der Arbeit. Steht wie ein scheinbar unbesteigbarer Berg vor mir. Trotzdem: läuft die Schicht, ist Alles gut. (09.06.1998-1)
In der Kürze meines Arbeitens liegt die ganze Länge des Moments. (09.06.1998-2)
Fassungslos angesichts der füllenden Wucht des Daseins. (09.06.1998-3)
Wie kann man Andere belehren wollen? (09.06.1998-4)

AFG 1998


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