Notizen 1996


Man ist immer schon drin im Bewusstsein. (05.06.1996)

Trotz Hemmung Gang ins Atelier. Allein mit mir. Der Musenkuss bleibt aus. Alles gleich gültig. Gleichgültigkeit. Ziemlich grau. Wenn ich trotzdem an die Arbeit gehe, dann im Vertrauen, dass sich zuweilen im Tun das Blatt wendet, unverhofft, still und ohne Aufhebens. (02.07.1996-1)
Ein Künstler tut das, was andere auch tun könnten, wenn sie es täten. Künstler ist der, der tut, wo Andere nicht tun. (02.07.1996-2)

Nichts wollen, Nichts müssen, und trotzdem tun. Kein Druck, keine Hetze, Alles Schritt für Schritt, wach und bereit. Nichts übersehen, nichts überbewerten. Ruhiges, klares Empfinden, an dem aller Zweifel zerschellt. (10.07.1996-1)
Beim Plastizieren (der Knochen-Idole) erlebe ich eine besondere Kraft. Sie ist ins Innere gerichtet, drängt nach Innen, eine Art Bewegung auf eine Mitte zu. Ich nenne sie zentripedal. (10.07.1996-2)

Besser nicht von Gott sprechen. (09.08.1996)

“Eine Welt ohne Hoffnung, aber keine Verzweiflung”, schreibt Henry Miller im “Wendekreis des Krebses”. Das heisst Leben, sage ich. (10.08.1996)

Dasein, in Allem. Keine Worte darüber verlieren. Nicht darüber sprechen. (12.08.1996)

Das Künstlerische ist ein in sich fortlaufendes Band, das leicht reissen kann. Die Flickarbeiten, wenn es reißt, sind anstrengend. Die Rissenden müssen erst wieder gefunden werden. Ich bin ein Band-Künstler, oder besser ein Faden-Künstler. Denn den Faden zu finden, ihn zu verlieren und wieder neu zu finden, scheint mir meine eigentliche künstlerische Bestimmung zu sein. (13.08.1996)

Kunst als Vollzug des Geistes im Rahmen von Zeit, geladen mit Gedanken und Empfindungen. Das Kreisen der Seele im Zirkel der Zeit. Ein Erlebnis eher von “Zeit-ist-ausser-sich” als von linearer Zeit, mit mir drin, im Wechsel von Auflösung und Beharrung. Indem ich so zu beschreiben versuche, spüre ich bereits das Schwinden der Klarheit, ein Hauch von Wahrheit nur noch, Sekunden vorher. (14.08.1996-3)

Künstlerische Arbeit braucht Ruhe, Ruhe als Schutzraum. Was innen, ist unantastbar. Eine egoistische Forderung, auf natürliche Weise selbstbezogen, nichts anderem verantwortlich als sich selbst. Künstlerische Arbeit steht immer wieder neu vor dieser Entscheidung: nach aussen oder nach innen? Sie realisiert sich vor allem dazwischen. (19.08.1996-1)
Lernen, zu arbeiten mit dem, was zur Verfügung steht. Anfangen, ohne zu fragen nach einem Woher und Wohin. (19.98.1996-2)
Wie schnell Alles vorüber geht und wird und geht, erneut, und stirbt und wird. (19.08.1996-3)

Der Mensch steht immer am Abgrund. Besser, dort sich einzurichten. (20.08.1996)

Im Jetzt gibt es keine verpassten Möglichkeiten. Nichts ist wirklicher als das, was gerade jetzt ist. So gesehen gibt es nichts zu verpassen. (21.08.1996)

Manche Tage klären sich erst am Abend. Erst dann besitzen sie die Intensität, die nötig ist, um klar zu sehen. (22.08.1996)

Ich bin eigentlich kein sesshafter Mensch. Die Bewegung ist es, die mich immer wieder erneuert. (29.08.1996)

Manchmal habe ich das schattige Gefühl, zu viel zu sagen. (04.09.1996)

Was gehört ins Bild und wer ist im Bilde? (06.09.1996)

Warum Spuren hinterlassen? Rechtes Tun ist ohne Spur. (09.09.1996)

Wie viel eigene Erfahrung enthält ein Bild? Frage nach der Authentizität. Wie und wodurch werde ich berührt? Wie fliesst diese Betroffenheit in mein Werk ein? Wie und welchen Ausdruck findet sie darin? Kein ausschließlich ästhetisches Spiel! (17.10.1996)

Eine geglückte Tat ist wert, versucht zu sein. (25.11.1996-1)
Ich suche nicht das sinnliche Erscheinungsbild, auch nicht sein Abbild. Ich suche auch nicht die, ihm zu Grunde liegende Bewegung. Ich suche das Bild, konkret, wirklich, natürlich in der Erscheinung und individuell in der Durcharbeitung. Immer wieder. (25.11.1996-2)
Alle Kunst entspringt der Leere. (25.11.1996-3)

AFG 1996


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