Notizen 1999


Dass man sich nicht erreichen kann, fast nicht, über Brücken bauende Worte hinweg, fast nicht ...... (06.04.1999-1)
Schau nach Innen, um zu sehen, was dich bindet! Das ist der erste Schritt in die Freiheit. (06.04.1999-2)
Licht und Schatten ergänzen sich ein Leben lang. (06.04.1999-3)

Für wen und was ich arbeite?! - Ich arbeite um der Arbeit selbst willen, weil in ihrer Verwirklichung das Wirkliche schwingt. (11.04.1999)

Auch ohne sichtbare Resultate ist Alles in Ordnung. Es ist immer Zeit, um sich und seine Arbeit zu kreisen. Gelingen stellt sich dann irgendwann ein. (12.04.1999)

Radikal sein kann man nur in der Einsamkeit. (13.04.1999-1)
Kunst hat nichts (mehr) offen zu legen. Ihre Zufluchtsstätte ist das Geheimnis. (13.04.1999-2)

Woraus lebe ich wofür? (15.04.1999)

Bilder führen den Menschen ins Unbekannte. Diesseits, Jenseits, Innen, Aussen. Das Blau des Meeres, Symbol seines unermesslichen, seelischen Innenraums. Entdeckung reiht sich an Entdeckung. Schon Bekanntes altert, wird unscharf und hintergründig. Neues folgt ehemals Neuem. Prozess fortgesetzter Überlagerung und Durchdringung. Der Mensch ist unterwegs (zu sich selbst). Sein Beginnen ist die Geschichte von der Suche nach dem ewigen Bildnis. (19.04.1999)

Man kann auch bei laufender Spülmaschine kreativ sein. (20.04.1999)

Zur Ästhetik des Schönen, die Ästhetik des Hässlichen, zu Wachstum Verfall, zu Auflösung neues Wachsen ... Beides gehört zur Kunst, Beides heißt Leben. Und am Ende ist Beides ein und dasselbe. (21.04.1999)

Was mich Aufbaukeramik lehrt: Entdeckung der Langsamkeit, wirklich und ehrlich. (30.04.1999-1)
Man sagt manchmal das Falsche, wenn man nicht lernt zu schweigen. Kraft des Wortes auch sein Missbrauch. (30.04.1999-1)
Drei Worte: Einsamkeit, Tod und Vergessen. (30.04.1999-2)

Wenn etwas unwirklich ist. Welch ein Wort! Unwirklich... etwas, das nicht wirkt, ohne Wirkung ist ... Unwirklich gleich Wirkungslos ... Abbruch, Stopp, kein Vermitteln mehr vom einen zum anderen, es bricht ab. Lebendige Bewegung kommt zum Stillstand. Wenn etwas unwirklich ist, existiert es nicht (mehr). (02.05.1999)

Man müsste Bilder machen ohne Bild. Bilder wie Worte, zeitaktuelle und Zeit übergreifende. Bilder, die nicht am Ort des Bildes aufgesucht werden, sondern auf Grund des Ortes im Inneren entstehen. (05.05.1999-1)
Man muss lernen zu versäumen. Leben, ohne das Gefühl, etwas zu verpassen. Nichts erreichen zu wollen, führt auch zum Ziel. (05.05.1999-2)
Kunst machen heißt warten. Man muss höchst aktiv warten können. Was wäre das Gelingen, ohne die Geduld? Vielleicht wird grosse Kunst weniger komponiert als ausgewartet. (05.05.1999-3)
Ich habe auch Angst vor der Kunst, so sehr ich sie liebe. Ihr Ereignis wirft immer Schatten voraus, jedes Mal neu. (05.05.1999-4)

Höhepunkte des Lebens vergehen manchmal unbemerkt. Man schaut in die falsche Richtung. (12.05.1999-1)
Man müsste Alles im Alltäglichen halten, ohne ihm das Besondere zu nehmen. (12.05.1999-2)
Wir nehmen immer nur Ausschnitte wahr, innen wie aussen. (12.05.1999-3)

Wann ist man Künstler?! - Man ist es nie. Man arbeitet darauf zu, aber man erreicht sich nicht. Das Ziel scheint mal in greifbarer Nähe, dann wieder rückt es in die Ferne. Mitunter verschwindet es. Man bleibt sich immer unerreichbar. (14.05.1999)

Der für ornamentale Gestaltung passendste Bereich am Gefäß liegt unterhalb des Halses. Dies ist der Ort größter Sichtbarkeit. (15.05.1999-1)
Die Welt ist Fragment, ich selbst, als Teil der Welt bin Fragment, meine Wahrnehmung ist bruchstückhaft, ebenso wie mein Wissen und Erkennen. Bin ich Teil und Ganzes? (15.05.1999-2)

Zwischen Traum und Bewusstsein, nicht mehr dort und noch nicht ganz hier. Was sonst verborgen, liegt jetzt offen für einen Moment, die Zeit, die der Übergang braucht hin zum Vergessen. (19.05.1999-1)
Schwäche ist, wenn man sich selbst nicht widerstehen kann. (19.05.1999-2)

Motto meines Künstlerischen Arbeitens: immer Schritt für Schritt. Kurze Tätigkeitsmomente, aneinander gereiht und immer wieder aufgegriffen. (20.05.1999-1)
Zeit ist die knappste Form des Daseins für eine ganze Ewigkeit. (20.05.1999-2)
Man muss akzeptieren, dass es manchmal einfach nicht weitergeht. (20.05.1999-3)
Manchmal scheint er mit Händen zu greifen, der Zufall, flüchtiges Zeichen der Gnade. (20.05.1999-4)

Was ist der Traum, wenn nicht wirklich, was die Wirklichkeit, wenn nicht Traum. Fände das Eine Eingang ins Leben ohne das Andere? (27.05.1999)

Man hat im Leben immer mehr Möglichkeiten als einem lieb ist. Für einige wenige entscheidet man sich. (28.05.1999)

Die scheinbare Wirklichkeit des Traumes ist der Grund für den tagtäglichen Irrtum des Lebens. (29.05.1999-1)
Bin nie frei von Zweifel. Was für Andere scheinbar selbstverständlich, gelingende Leistung gleich steigendes Selbstwertgefühl, besitzt bei mir ein Fragezeichen. Es bleibt immer, bei allem, was ich tue. (29.05.1999-2)
Einer entstehenden Gestaltung darf man nichts aufzwingen. Sie sollte sich aus dem Prozess, im Prozess selbst, vollenden. Fragen ja, voreilige Lösungen nein. (29.05.1999-3)
Jedes neue Bild trägt die Möglichkeit eines neuen Scheiterns in sich. (29.05.1999-4)

Nichts macht mich hinreichend aus, aber Alles bietet sich an, ermöglicht dem Ich eine Maske, wo Ich nicht schon eine wäre. (30.05.1999)
Man braucht immer eine Utopie, auch wenn man sie nie erreicht. Ohne Utopie ist das Leben ein reiner Stoffwechselprozess. (31.05.1999-1)
Das Gefäß gleicht einer Frau. Um den Hals liegt das Ornament wie ein Schmuckstück. (31.05.1999-2)

Kunst heißt, sich einlassen. Sich einlassen heißt Dasein. Dasein ist verlorenes Paradies. Sprechen macht den Verlust bewusst. (04.06.1999-1)
Unterschied zwischen Karrieristen und Anderen: Erstere haben sich früher und entschiedener auf eine Rolle festgelegt. (04.06.1999-2)
Es kommt auf den rechten Moment an, auf das Rechte aus der Fülle des Möglichen. (04.06.1999-3)
Im Wesentlichen geht um geduldiges und beharrliches Warten. (04.06.1999-4)
Ein Kunstwerk setzt sich aus einer Vielzahl gelungener Einzelmomente zusammen. Sie beinhalten den Wandel von Productus zu Processus ...... und nach einiger Erfahrung von Processus zu Productus. (04.06.1999-5)

Ein leerer Morgen, da noch nicht nach Innen gekrochen. Ohne Introversion, keine Kunst. (06.06.1999)

Das Nichts des Künstlerischen Prozesses, in das ich immer wieder hineinspringen muss. Ohne Sprung keine Kunst, kein Innewerden, keine Erfüllung. (07.06.1999-1)
Aussenkontakt während des Arbeitens, nein. Für den Prozess Elfenbeinturm, sonst nichts. (07.06.1999-2)
Kunst ist Kunst nur im Prozess. (07.06.1999-3)
Was macht man in den Zwischenzeiten, wenn Kunst nicht möglich? Man müsste sie vermeiden können. Künstlerisch tätig sein wie Atmen, mal langsamer, mal schneller, und irgendwann dann der letzte Zug, die letzte Tat. Ausgekunstet! (07.06.1999-4)
Ein Künstler tut Dinge, über die Andere im besten Fall lächeln. (07.06.1999-5)

Ein Künstler hat nie Antworten. (08.06.1999-1)
Ora et labora. (08.06.1999-2)

Es gibt Zeiten, da habe ich nichts zu sagen. (10.06.1999)

Man braucht mindestens so lang, um die ornamentalen Möglichkeiten der gebogenen Gefäßoberfläche zu entdecken, wie die Malerei in der Fläche. (11.06.1999)

Ohne das Glück des Zufalls, bestünde das Leben hauptsächlich aus verpassten Möglichkeiten. (12.06.1999-1)
Zeitgenössische Kunst (wie auch meine eigene) steckt in einer Art Legitimationsproblematik. Ihre Fragwürdigkeit zeigt trotzdem Wirkungen. Immer wieder Brüche, das Gegenteil von Kontinuität. Abbruch als notwendige Zäsur, weil sonst gar nichts mehr geht, und als Verlust, weil es anders auch nicht geht. Hangeln von Moment zu Moment, Aneinanderreihung von Bruchstücken, die zumindest das Brüchige gemeinsam haben. (12.06.1999-2)

Man wartet auf Inspirationen. Es stellen sich keine ein. Also besser etwas tun, als weiter warten. (14.06.1999)

Dass ich nichts fertig machen kann, ist zugleich Schwäche und Stärke. (15.06.1999-1)
Selbsterkenntnis. Langsames, aber unmissverständliches Bloßlegen eigener Schwächen. Was man glaubt zu sein, fällt ab. Je mehr man daran festhält, desto rücksichtsloser. Man findet keinen festen Punkt mehr. Alles um einen herum ist ohne Halt, innen tobt der Aufruhr. Trotzdem: man lebt und arbeitet. (15.06.1999-2)
Die Frage nach dem Sinn des Lebens langweilt. Sie wird schon zu lange gestellt und niemand hat bisher eine erschöpfend plausible Antwort gefunden. Wie wäre es, das Paradies zu erkunden? Einfach Hinschauen und ein wenig mehr von sich selbst absehen. (15.06.1999-3)
Die Welt zeigt sich wie erwartet. Sie zeigt sich fragebezogen, als ob sie immer schon vorher wüsste, wie die Frage lautet. (15.06.1999-4)
Dies Zeitalter ist immer noch sehr materiell. (15.06.1999-5)
Ein Gefäss, zu rasch hochgezogen, fällt in sich zusammen. Schnelligkeit kommt an ihre Grenzen, wo Stabilität leidet. Es gilt immer noch und gerade jetzt das “Alles-hat-seine-Zeit” zu finden. (15.06.1999-6)
Handwerk ist Weggefährte der Kunst. (15.06.1999-7)
Schreiben als plastischer Prozess. (15.06.1999-8)

Die Improvisation als mir entsprechend aufgefunden und nach langer Zeit des Infragestellens akzeptiert. Im Kontrast zur Unsicherheit des Prozesses ist das Gelingen ein erregendes Ereignis. Das Gegenteil allerdings, das Misslingen, im selben Maße schwer zu ertragen. Zweifel, die alle gewonnene Sicherheit wegfegen. Improvisation gleicht dann einem Absturz. (18.06.1999-1)
Filme sind immer fragmentarisch. (18.06.1999-2)

Kunst im Überfluss. Erstickt sie an sich selbst? Müsste man nicht schweigen? - Kultur als das, was nicht ist? (19.06.1999)

Im Scheitern liegt mitunter mehr Gewinn. (24.06.1999-1)
Zum Beispiel Zweifel, am Sinn des Lebens, am eigenen Tun, an sich selbst. Nicht Verzweiflung, nein, sondern Zweifel, im Sinne eines Misstrauens gegenüber allem Fertigen. Ein solcher Zweifel gebiert das Vertrauen in den Prozess. (24.06.1999-2)
Wer weiß, was gewusst werden muss und wie dieses Wissen auszusehen hat, ist verdächtig. Wissen ist lernbar, Weisheit nicht. Aber man kann üben. Hören und Sehen, das vor allem. (24.06.1999-3)
Jemandem zuhören, ohne ihm eine Antwort zu geben. Ihn antwortlos lassen. Sein Ruf fällt ins Gegenüber wie in ein schwarzes Loch. Kein Widerhall, kein Echo, obwohl Alles nur gesagt wird um der Antwort willen. Gefühlloses Schweigen unter dem Deckmantel konzentrierten Zuhörens ist beredter als eine schlechte Antwort. Es verrät sich ohne Worte. ((24.06.1999-4)
Stille stellt sich ein. (24.06.1999-5)
Einzig sicher: Endgültigkeit, die Gültigkeit des Endes. Darüber hinaus Spekulationen mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit. Gott ist, wahrscheinlich. (24.06.1999-6)

Das Fernsehen ist eine wunderbare Zerstreuung. Ein Teil der Menschheit ist damit beschäftigt, den anderen Teil zu unterhalten. Zeitvertreib! (27.06.1999-1)
Es geht um ein Ich, Bild für Bild, Wort für Wort. (27.06.1999-2)

Kultur ist immer Kunst, aber Kunst nicht immer Kultur. Darum steht im Mittelpunkt der Kunst nicht die Produktion, sondern die Pflege der künstlerischen Tat. (07.07.1999)

Innenarbeit, welch ein Privileg! Analog zum Wohnhaus gibt es ein Haus im Innern (oftmals als Elfenbeinturm missdeutet), das viel zu selten aufgesucht und in Pflege gehalten wird. Man sollte es nicht verwaisen lassen. Denn nur ein Haus, das bewohnt wird, hält stand. (08.07.1999)

Bilder heraushauen aus der Vielzahl der Bilder. Nackter Sinn, mehr denn je ein Geheimnis. (10.11.1999)

Wie eine Kunst machen, die nichts will und Alles sagt? (19.11.1999)

Schnee, weit gefächert in der Ebene. Die Natur auf dem Rückzug. Ruhe. Das Wesentliche meldet sich zu Wort. (23.11.1999)

Ist das Individuum zu schwach, gerät die Gesellschaft auf Abwege. Individualität ist selbstverständlich, ohne selbstverständlich zu sein. Der Stellenwert der Kunst dabei ganz groß. (24.11.1999)

Bevorstehende Jahrtausendwende?! - Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger fällt mir dazu ein. Was gäbe es zu feiern, ausser dem Gefühl, etwas verpasst zu haben, wenn man nicht feierte? Es wird ein Jahreswechsel sein wie jeder, gleich laut oder still, je nach Gestimmtheit. Ich bevorzuge die Stille. Sie hilft mir klären, was war und vielleicht werden kann. (07.12.1999)

Die wahre Erkenntnis führt durch die eigene Seele. (13.12.1999)

Manch ein Künstler lebt von seiner Arbeit, ohne von ihr leben zu können. (16.12.1999)

Je höher man eine Leiter hinaufklettert, desto tiefer kann man fallen. (29.12.1999)

AFG 1999


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