Notizen 2006


Manche, sicher geglaubte Realisierung zerrinnt buchstäblich in den Händen. Andere, woher auch immer, stellt sich unvorhergesehen ein. Geheimnis des Prozesses. (17.01.2006)

Auch in Sachen Religion ist der Mensch Künstler, von Anbeginn. Das macht Gott nicht mehr und nicht weniger wahrscheinlich. Im Wesentlichen kreist der Mensch um zwei grosse Fragen: woher komme ich, wohin gehe ich? - Beim Versuch diese zu beantworten schwankt er zwischen repräsentativer Exoterik, allgemein verbreitet, und initiierender Esoterik, für Insider, die sich das Leben schwerer machen wollen. (23.01.2006)

Ich würde mich als religiösen Atheisten bezeichnen. (24.01.2006-1)
Jede Handlung ist entscheidend. (24.01.2006-2)

“Ich bin der ich bin” Ex 3,14. Rätselhaft, aber wahr. (27.01.2006-1)
Kunst ist ein Geheimnis. (27.01.2006-2)

Man ist immer allein mit sich, auch wenn das Zusammensein mit einem geliebten Menschen dem von Zeit zu Zeit widerspricht. Es ist das, im fortschreitenden Lebensvollzug sich dynamisierende Hinleben auf den Tod, das einsam macht. (01.02.2006)

In Anbetracht des eigenen Geistes, Gott unmöglich. Trotzdem (und vielleicht gerade weil) Staunen, Achtung und Dankbarkeit. Sie füllen das Heimweh aus nach dem, was es scheinbar nicht gibt. (15.02.2006)

Ich bin kein Getriebener, sondern ich treibe im Strom. Was wäre die Welle, ohne den Strom, was der Strom, ohne die Welle? (10.03.2006)

Man kann die eigene künstlerische Arbeit immer noch vertiefen. Doch ist überlanges Verweilen gleich schädlich wie zu frühes Abbrechen. Die jeweils neu zu findende Balance registriert den rechten Zeitpunkt. (01.05.2006)

Man täusche sich nicht: die Menschen sehen die Kunst, aber nicht die Poesie. (15.05.2006)

Wie wird ein Symbol ein Symbol? - Durch Deutung im Sinne nachträglicher Zueignung, durch den Akt der Setzung, durch Übereinkunft, durch Bestreben in einem mehr zu fassen als eins, ohne dabei die Einheit aufzugeben, durch Verleihen einer Wirklichkeit über das Bild hinaus? (31.05.2006-1)
Ein Symbol fasst immer mehr in sich, als es zeigt. (31.05.2006-2)

Alles im Bild ist Aussage, aber nicht jede Aussage ist sinnvoll. (09.06.2006-1)
Ich spiele mit Worten auf der Oberfläche und in der Tiefe. (09.06.2006-2)

Liebe und Philosophie sind der Wahrheit Gottes (was auch immer man darunter verstehen mag) besonders nah. (13.06.2006)

Den Beruf wählt man, die Berufung entwickelt sich. (17.06.2006)

Der Mensch ist frei. Das ist ein Fluch. Das ist ein Glück. (05.07.2006)

Ich bin eigentlich mehr Schwimmer als Künstler. Schwimmer in einem weiten Meer (der Möglichkeiten), ständig vom Ertrinken bedroht, aber, solange ich schwimme, nie ertrinkend, bis jetzt. (11.07.2006)

Grundsätzlich misstraue ich jeder Form (in ihrer Erstarrungstendenz). Wenn ich eine Form setze, habe ich zugleich das Bestreben, sie wieder aufzulösen, zumindest teilweise. In meinen Arbeiten ist darum mindestens soviel unsichtbar wie sichtbar. (20.07.2006)

Man kann einen Stein immer nur einmal zerschlagen. (28.07.2006)

Die Wahrheit der Phantasie ist die Bewahrung des Menschen. (29.07.2006)

Klarheit keimt dazwischen. Dorthin fallen auch die Ideen, wo sie vorschnell übergangen werden in rastlosem Tun. (05.08.2006)

Das grösste Problem der Kommunikation ist die Kommunikation. Es sind immer Menschen, die miteinander reden. Ihr Dialog hängt davon ab, ob ihnen ein gelingendes Gespräch am Herzen liegt. Setzt man Kommunikation allumfassend, steht sie über allem, beinhaltet selbst das gescheiterte Gespräch, auch den zuckenden Mundwinkel und das verkniffene Auge. Sieht man Kommunikation als verpflichtende Aufgabe menschlichen Miteinanders, steht der Mensch im Mittelpunkt und der Mut, das Gespräch zu wagen und zu bestehen. (03.09.2006)

Fast schon eine Zwangshandlung, immer wieder zwischenzeitlich das Atelier aufzusuchen, als ob sich mittlerweile etwas verändert hätte in und an den Bildern, Lösungen aus ihnen heraus, statt aus mir. Aber es bleibt immer Alles, wie es war, als ich es verließ. Keine Klärung, es sei denn, ich fände sie selbst. (05.09.2006)

In der Kunst liegt Qualität oft im Verborgenen. Man muss sie dort aufsuchen, im Dunklen, wo man erst nach einiger Zeit deutlicher sieht. (07.09.2006)

Die Melancholie gibt dem Leben eine ästhetische Haltung, weil nur sie dem Zweifel an der Gültigkeit jeglicher Expression Ausdruck verleiht. (17.09.2006)

Bild oder Nicht-Bild ist keine Frage absoluter, theologischer Wahrheit, sondern Ausdruck individuell-kreativen Erlebens. In welche Form sich Schöpferkraft ergießt, welches Resultat sie zeigt, ist gleich wahr, sofern der zu Grunde liegende Prozess auf innewerdender Einsicht beruht. (06.03.2006)
Man stirbt immer für sich allein. (20.09.2006)

Mit zunehmendem Alter schwindet die Zukunft. (22.09.2006)

Ich bin ein Bildsteller. (26.09.2006)

Was kann man vom Leben anderes verlangen, außer Einsicht ins Unvermeidliche. (02.10.2006-1)
Konstruktion und Destruktion, Aufbau und Zerstörung, sind grundlegende Prozesse meiner künstlerischen Arbeit. (02.10.2006-2)

Eine der wesentlichsten künstlerischen Fragen: in und aus der Fülle vergangener wie gegenwärtiger Gestaltungsmöglichkeiten die eine, nur durch mich mögliche zu finden. (25.10.2006)

Wenn heute von der Reduzierung künstlerischer Aussagen und Positionen auf das Wesentliche die Rede ist, so verbirgt sich dahinter oft nur die Scheu, vielleicht auch Bequemlichkeit, das künstlerische Procedere voll und ganz zu durchstehen, den Becher bis zum Grund zu leeren. (26.10.2006)

Wenn ich denke, halte ich mich an. Ansonsten habe ich Gedanken. (22.11.2006)

AFG 2006



nach oben