Notizen 2017


Kunst stellt selten auf bequeme Art und Weise zu erfüllende Ansprüche. (12.01.2017)

Während die Idee eines Werks in der Fülle seiner Möglichkeiten einsitzt ohne je ein Verwirklichtes zu sein, tritt Werk selbst aus dieser Möglichkeitsfülle als sichtbar Einzelnes hervor. (16.01.2017-1)
Hauptkriterium künstlerischen Ausdrucks ist die Originalität individueller Zufallsrealisierung. (16.01.2017-2)
Oder so: wie authentisch du das dir Zufallende verwirklichen kannst, entscheidet über den künstlerischen Ausdruck (Gehalt) deines Werks. (16.01.2017-3)

Ausbleibender Zufall in Kunstdingen ist ein Anspannungs-, ja Hochspannungsgeschehen, das man durch fortgeführten wie fortführenden Gestaltungsprozess zur Aufklärung bringt. (17.01.2017)

Eigentliches Thema im künstlerischen Prozess ist man selbst. (19.01.2017)

Kein Werk verfügt über die Zeit, zeitlich auf der Höhe zu sein. Deshalb der währende Versuch, auf den Punkt zu kommen. Künstlerisch betrachtet: sparsame Interpretation und karge Analyse, aber in hohem Maße Kreation. (31.01.2017)

Zum Gegenständlichen finden durch ein Sichwegbewegen von den Gegenständen. Hinwendung durch Einkehr. (01.02.2017)

Bin ich auf dem Kunstweg, geht es immer um den Ausdruck mehr als um eine Mitteilung. Ich teile mit, was ich ausdrücken kann. Dazu muss mich vorher, irgendwann einmal, etwas beeindruckt haben. Ich muss das konkret gar nicht mehr wissen. Aber sicher ist, dass da etwas mich Bewerbendes vorhanden war in der Vergangenheit und jetzt selbstmächtig von mir Besitz ergreift. Vom Eindruck zum Ausdruck, das ist das Geheimnis. (05.02.2017)

Kunst ist nicht die einzige Wirklichkeit im Leben, aber sie lässt das Eine wirklich werden. (10.02.2017-1)
Kannst du andere davon überzeugen, dass das, was du machst, Kunst ist, ist es Kunst. Messbar wird diese Zuschreibung am Verkauf. (10.02.2017-2)

Bildnerei fußt auf realem wie idealem Können. Je nach Persönlichkeit überwiegt das eine oder das andere. (16.02.2017)

Nichts darstellen wollen, aber möglichst viel sagen. Wie geht das? (27.02.2017)

Je öfter ich das Spielfeld des Künstlerischen betrete, desto weniger klar sehe ich die Regeln, nach denen sich das Spiel vollzieht. Es scheint nur eines gewiss, zu tun, und das möglichst anhaltend in einem gemäßen Rhythmus wohlwollender Heiterkeit. (28.02.2017)

Kann man Künstler sein ohne Überhebung? Würde man überhaupt beginnen ohne Besonderheitsgefühl, ohne diese Atmosphäre des Ausgewähltseins (was natürlich eine Illusion ist)? (03.03.2017)

Über die eigene Arbeit spreche ich in der Hauptsache mit mir selbst. Dabei bin ich mir ein zu Skepsis neigender Gesprächspartner, der selten ein Haar in der Suppe übersieht. (05.03.2017)

Und dann habe ich mal wieder eine leere Malfläche an der Wand und scheue mich, sie zu berühren und sehne mich zugleich nach Farbe, Form und Gehalt. Die Leere ist mein Feind, zumindest solange ich nicht wage, einzutauchen in ihre Möglichkeiten. Wer nicht weiß, was er gestalten soll, hat alle. (06.03.2017)

Die Besonderheit schlechthin bei meiner Arbeit: nichts wollen wollen. Eine Unmöglichkeit, ich weiß, aber sie trifft den Kern. Gute Werke entstehen aus dieser Einstellung, zumindest bei mir. Je größer die Arbeitsflächen, desto schwieriger Absichtslosigkeit zu generieren. Wichtiger Gradmesser: die bewusste Kontrolle. Je mehr ich kontrolliere, desto weniger gestalte ich absichtslos. (07.03.2017-1)
Eigentlich sollte täglich eine Arbeit fertig werden und sei sie noch so klein. Ein Tag ohne sichtbares Resultat ist schwer erträglich. Darunter leiden mein Arbeitsrhythmus und Spielfluss. (07.03.2017-2)
Das Feuer der Gestaltungskraft, Segen und Fluch in einem. Man läuft leicht Gefahr zu überhitzen oder (im Gegenteil) auf zu sparsamer Flamme zu kochen. Das Feuer unterhalten (in stetiger Flamme), das ist es. (07.03.2017-3)
Alle Kunst ist bezogen und bezieht sich. Alle Kunst steht im Kontext. (07.03.2017-4)

Der Gestaltungsprozess und mit ihm sein Resultat stehen in engem Kontakt zum Faktor Zeit. Die aufgewendete Zeitspanne, ohne dass sie sichtbar wäre im Werk, ist gleichwohl energetisch spürbar.(08.03.2017-1)
Ich nehme mir Zeit, indem ich sie vergesse, und das in einem möglichst gleich bleibenden, mir gemäßen Rhythmus. (08.03.2017-2)
Die Notwendigkeit meines Tuns ist bestimmt durch seine Gleichmäßigkeit wie diese Resultat ist der Notwendigkeit. So vielleicht mein Triebwerk im gestalterischen Prozess. (08.03.2017-3)

Ein Kunstwerk ist glaubwürdig, wenn es überzeugt und es überzeugt, wenn es einen künstlerischen Dialog glaubwürdig zum Ausdruck bringt. (11.03.2017-1)
In Bildern schaffe ich mir Ausdrucksmöglichkeiten, die ich auf andere Art und Weise nicht hätte. sie sind Teil von mir wie ich Teil von ihnen, ohne dass ich ganz in ihnen steckte und sie ganz in mir. Wenn ein Bild entsteht, wachse ich mit. Da Entwicklungen auch schief laufen können, birgt jeder Bildentstehungsprozess eine gehörige Portion Nervenkitzel in sich. Bildende Kunst ist alles andere als eine entspannte Angelegenheit, auch wenn sie mir am besten in einer entspannten Atmosphäre gelingt. (11.03.2017-2)


Nicht die schlechteste Lösung (ob die beste, wer weiß?) in Sachen bildnerischer Gestaltung das zu tun, was einem Spaß macht. (11.03.2017-3)

Ich empfinde eine gewisse Scheu über die Produkte meiner künstlerischen Arbeit zu sprechen, obwohl ich weiß, dass Außenstehende es gerne sehen, wenn der Künstler zu seinem Werk etwas mitteilt. Oft habe ich in diesem Zusammenhang die Erfahrung gemacht, dass Menschen sich die rezeptive Arbeit (und Rezeption bedeutet Arbeit, wenn auch eine sehr schöne und lohnende) gerne erleichtern, indem sie vom Urheber selbst ganz direkt erhellende Informationen zu erfragen suchen. Dahinter steckt vermutlich eine gewisse Scheu, sich mit sich selbst und dem vorliegenden Werk auseinanderzusetzen. Viele wünschen sich auch Eindeutigkeit in der Aussage eines Werks. Leider ist Eindeutigkeit keine Domäne der Kunst. Für mich stellt sich die Situation so dar: Habe ich ein Werk fertiggestellt, habe ich eigentlich alles gesagt mit den Mitteln und Fähigkeiten, die mir zur Verfügung standen. Hinterher etwas dazu zu sagen, das heißt, nach Fertigstellung des Werks, scheint mir schwierig. Ich würde etwas erklären wollen, das sich längst schon geklärt hat. Es geht letztendlich um die Magie des Ausdrucks, die man mit Reflexionen nicht zu fassen bekommt. (13.03.2017)

Träume werden selten wahr und wird etwas aus ihnen, können sie sich bis zur Unkenntlichkeit verändern. Vielleicht gibt es nur einen Bereich, der Traum und Wirklichkeit zusammengehen lässt, die künstlerische Tätigkeit. Doch dann, wenn Werk Werk geworden ist, die Desillusionierung: der Traum bleibt im Schatten, die Realität tritt ins Licht. (23.03.2017)

Sich beschränken unter Beibehaltung freischöpferischer Vorgehensweise. (26.03.2017)

Mein Ziel ist, keines zu haben. Ich gehe an die Arbeit, als ob es nichts zu tun gäbe. (27.03.2017)

Arbeite ich gegenständlich abbildhaft, muss ich mir sehr viel Zeit nehmen und lassen, als ob das Bild wachsen müsste. (28.03.2017)

Unberechenbar ist geistiges Leben und ohne Logik der Künstlerische Dialog. (29.03.2017)

Im Moment künstlerischen Gelingens bin ich wunschlos glücklich, aber alles andere, alles Davor und Danach, vermag ich in diesem Glück nicht unterzubringen. (04.04.2017)

Manches Werk scheint abgeschlossen, ohne fertig zu sein, im Detail wie Im Ganzen. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass irgendetwas nicht stimmt. Dann lege ich es zur Seite, gebe ihm Zeit und mir, bis sich die Situation klärt. (05.04.2017)

Die Frage nach der Identität eines Kunstwerks (sofern sie nicht die Urheberschaft meint) stellt sich vor allem dann, wenn es etwas außerhalb seiner selbst Liegendes zum Ausdruck bringt. Das Kunstwerk als solches, ohne Außenbezüge, ist immer mit sich selbst identisch. (19.05.2017)

Manche Kunstwerke und künstlerische Herstellungsweisen legen es darauf an, mehr zu zeigen als ihre eigene Sichtbarkeit. Andere wiederum halten sich damit zurück. Grundsätzlich aber weist jede künstlerische Realisation - möglicherweise sehr mikroprozessual - über sich selbst hinaus. (25.05.2017)

Ein Kunstwerk braucht immer die Realität des Bildens, niemals nur die Idee des zu Bildenden. (04.06.2017)

Kunst verbirgt mehr als sie zeigt. (13.06.2017)

Bildbezogen können wir heute von einem quantitativen wie qualitativen Problem der Bildung sprechen. (19.06.2017)

Kunst, ein Daseinsgeschenk, überpersönlich und auf Transzendenz angelegt, auf Menschlichkeit im überweltlichen Sinne. (27.06.2017-1)
In den Prozess zu finden und mitzugehen, das heißt künstlerisch leben. (27.06.2017-2)

Unbedingt in der Kunst ist das je sich vollziehende Innewerden künstlerischer Realität im Gegenstand. (08.07.2017)

Auch ein gewisses Kalkül spielt mit im Kunstgeschehen und entzieht es dann doch ab und zu zufälliger Entwicklung. Wo es aber dominiert, verfliegt expressiver Zauber. (18.07.2017)

Alles kann Kunst sein, aber es muss sich künstlerisch unter Beweis stellen. (26.07.2017)

Bildnerische Probleme sind zuallererst individuelle Probleme, die auf sehr persönliche Art und Weise gelöst werden wollen. (09.08.2017)

Es bleibt Geheimnis, dass und wie etwas zur Erscheinung kommt, Werk wird, bei aller Analyse (von Prozess und Resultat). (21.08.2017-1)
Eine Werkidee muss ausreichend Substanz aufweisen, damit daraus ein Werk, eine Werkgruppe, entstehen kann. (21.08.2017-2)

Man bevorzugt die Analyse, auch in Kunstdingen. Dort allerdings steht ihr das schwer zu ergründende Phänomen des künstlerischen Dialogs entgegen. (24.08.2017)

Ich stelle mein Werk ungern in einen historischen Zusammenhang. Denn alles (von mir) Geschaffene scheint mir dann überholt und ich habe das Gefühl, nicht wirklich etwas Neues zu machen. Andererseits komme ich nicht aus ohne Tradition. Denn verdanke ich nicht das, was ich jetzt bin, dem, was einmal war? So bleibt es nicht aus, dass ich im Kontext meiner gestalterischen Arbeit in der Vergangenheit lebe, manchmal mehr als mir lieb ist. Ob ich will oder nicht, im Rückbezogensein entfaltet sich meine Originalität. (25.08.2017)

Meist gelingt es mir, die Intensität meiner Arbeit in den Tagesablauf mit seinen Alltäglichkeiten einigermaßen verlustfrei einzubauen. Mit wenigen Ausnahmen bleibt sie anderen verborgen und ich tue auch kaum etwas dafür, sie spürbar zu machen. Und manchmal, wenn sie mich quält, kommen mir ausgerechnet die Alltagsbelange zu Hilfe, die mir zu anderer Zeit hemmend entgegenstehen. In sie kann ich mich flüchten, wenn die Arbeitsintensität mich zu überwältigen droht. Sie sind meine Rettung. (26.08.2017)

Alles, was ist, ist kraft seiner Existenz expressiv. Nimmst du dies wahr, setzt du - und sei es noch so unscheinbar - ästhetisches Vermögen ein. (27.08.2017)

Kunst als anteilnehmender wie mitteilender Selbstzweck. (06.09.2017)

Nicht dass etwas zur Kunst erklärt wird, stellt den entscheidenden Kunstbeweis dar (macht etwas zur Kunst), sondern dass Kunst ist. (08.09.2017)

Eine Kunstrealisation, die man unbedingt will, gerät aus dem Blick. (15.09.2017)

Die Kunst des Kunstwerks führt in tieferliegende Bereiche, wortlos in eine erhellende Seinsunbegreiflichkeit entzogen. (21.09.2017)

Der Wille zur Wahrheit gebietet dem eigenen künstlerischen Schaffen gegenüber ein hohes Maß an Distanz (mehr wohl als man zu leisten in der Lage ist), ungefähr soviel wie im künstlerischen Prozess selbst, prozessbedingt, Innesein statt hat. (25.09.2017)

Kunst gleicht einer glücksgiftigen Essenz, von der empfindliche Naturen vorsichtig und in kleinen Dosen kosten sollten. Ihre Schädlichkeit liegt im Suchtpotential. Und wie immer bei Drogen lässt übermäßiger Genuss das Essentielle verschwinden. Übrig bleibt erniedrigende Gebrauchsnotwendigkeit. (02.10.2017)

Was Kunst ist und was nicht, darüber entscheidet der Prozess und nicht die Zuschreibung (anderer). (23.10.2017)

Kunst bemisst sich nach ästhetischem Empfinden, das mit zunehmender Erfahrung zu einem persönlichen Qualitätsbewusstsein destilliert. Ohne dieses Empfinden bliebe künstlerische Qualität trotz vorliegender Fakten sprachlos. (23.11.2017)

In künstlerischen Dingen kann man ganz allein sein - ja man ist es unweigerlich aus der Natur der Sache, aus innerer Notwendigkeit heraus - wie sonst nirgends im professionellen Betrieb des Alltags. Der Ruf nach Kollektivierung künstlerischer Vorgehensweisen scheint davon nichts zu wissen. (30.11.2017)

Hat man nichts mehr zu sagen, erreicht man Ausdruck. (10.12.2017)

”Wer jedoch unter dem Vorwand, selbstvergessen der Sache zu dienen, von der Reinheit des Ausdrucks abläßt, verrät damit immer auch die Sache”. (”Minima Moralia”, Theodor W. Adorno, Suhrkamp Verlag, S. 151)
Reinheit des künstlerischen Ausdrucks kristallisiert sich aus Selbstvergessenheit wie Zielorientierung. (18.12.2017)

In Kunstdingen ausschließlich historisch-linear zu denken, bedeutet immer Verlust. (21.12.2017)

AFG, 2017


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