Notizen 1990
Das Leben pulsiert spürbar gerade in der Vielgestalt des Daseins, in der Durchdringung unterschiedlicher Lebensformen. (08.02.1990)
Kunst zeugt immer auch vom Selbstfindungs- und Selbstentwicklungsprozess der Seele. So gesehen gehen Kunst und Therapie Hand in Hand.(13.02.1990)
Fragment ist nicht gleich Fragment. Je nach Grund ist es eher Fraktur oder eher eine neue Wirklichkeit. (27.02.1990)
Anstatt auf den launischen Musenkuss zu warten, sollte man die Zeit nutzen, die einem zur Verfügung steht. (12.03.1990)
Malen aus dem Nichts heraus! Diese Aussage bedarf der Ergänzung. Es gibt immer zwar ein Thema. Doch wirkt es nicht bild-, sondern motivationsdominant. So gefiltert, fließt es nicht in gleicher Weise zufällig in die Gestaltung ein. Man könnte eher von einem, im besten Falle harmonischen Wechsel von Planung und Absichtslosigkeit sprechen. (13.03.1990)
Im Gestaltungsprozess kann ich finden, aber auch verlieren. Ich habe darüber nur bedingt Kontrolle. Beides hängt in großem Maße vom ZUFALL ab. Geheimnis der Schöpfung. (30.04.1990)
Veränderung bedarf des Wartens. Empfangene Impulse tauchen irgendwann gestaltend auf, oft an unvermuteter Stelle. (14.05.1990)
Ich arbeite draussen wie drinnen. Die Skizze als Ganzes, das Ganze als Skizze. Anregung zeichnerischer Improvisation angesichts prozessualer Gestaltungskräfte der Natur. (08.08.1990)
Zeichnen ist (Nach)Vollzug. (09.08.1990)
Wenn alles klar ist, ist nichts gewiss. (18.08.1990)
Im Aussen kann nicht mehr erscheinen, als im Innen ist. Ausweitung innen ergibt Verdichtung aussen. (20.08.1990-1)
Nur wenig zu Papier bringen. Ja nicht das erste, unmittelbare Erlebnis stören. Nicht fertig werden wollen. (20.08.1990-2)
Das Naturvorbild regt an in struktural-prozessualem Sinne. (21.08.1990)
Oft folgt dem Gelingen ein Absturz. Man kann fruchtbare Phasen nicht konservieren. (23.08.1990)
Indem ich mich beschneide, werden neue Wege sichtbar. (30.08.1990)
In Allem ganz klein und bescheiden werden. (01.09.1990)
Die Notwendigkeit der Dokumentation im Sinne eines Vergewisserns entsteht beim Verlassen des Paradieses. (12.09.1990)
Form und Inhalt als ineinander verschlungene Wesensmerkmale der Kunst. Form gibt einem Inhalt Ästhetik, Inhalt der Form Metaphysik. Zwischen Beiden der Künstler und sein Werk, balancierend, mal dem einen, mal dem anderen zuneigend. Immer auch vom Absturz bedroht. Reine Ästhetik ebenso fragwürdig wie reine Metaphysik. (19.09.1990)
Natur will immer fesseln. (27.09.1990)
Man fordert oft mehr die Veränderung des Anderen, anstatt sich selbst zu ändern. (28.09.1990)
Man kann ein schönes Bild malen ohne sich, man kann ein hässliches malen mit sich. Vom Standpunkt der Wahrheit aus ist das Letztere schöner.(15.10.1990)
Die Frage nach Freiheit ist auch eine Frage der Geduld. (16.10.1990)
Sprache bedeutet Trennung. Deshalb ist das Zuhören so wichtig. (02.11.1990)
Das Universalkreuz, Polarität und Ausgleich in einem. Bild des Lebens im Zusammentreffen von Senkrecht und Waagrecht. Am Kreuzungspunkt fallen für einen Moment die Gegensätze in eins. Hier Teilhabe, auf ein Minimum beschränkt. (09.11.1990)
Erzählende Kunst und seiende Kunst. Jene zwischen Vergangenheit und Zukunft, diese reine Gegenwart. (19.11.1990)
Kunst ist dort, wo eine Absicht absichtslos erscheint. (06.12.1990)
Künstlerische Arbeit ist Hoch- und Tiefbau. (12.12.1990)
Die Gegenwart lebt flüchtig im Übergang. (16.12.1990)
AFG 1990
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