Feb 2020

Mitunter die Einsicht, dass ein Mehr an Genuss keinen Glückszuwachs beschert, ein Mehr an Verzicht aber auch nicht.

Manche sagen, das Leben sei nur zu ertragen durch Illusionen. Das würde bedeuten, dass man sich etwas vormachen muss, um das Leben zu meistern. Beispiele gibt es schon dafür und gar nicht so selten kann man sich an die eigene Nase fassen.

Mit Gräbern im traditionellen Sinn habe ich nichts am Hut. Meine Asche sollte Wind und Wasser gehören. Dass ich trotzdem ein kleines Grundstück für den letzten Wohnsitz mein eigen nenne, befristet, ist Zugeständnis, an Nahestehende, an gesellschaftliche Konventionen und Bestimmungen (die sich vielleicht zu Lebzeiten noch ändern werden).

Das Gedenken braucht nicht das Grab, sondern die Erinnerung. Man sollte sich erinnern, wie man früher gebetet hat.

Nicht ”Im Hause enden die Geschichten” (Paul Nizon), sondern im Besitz desselben.

Sei nicht mit dir einverstanden, aber entzweie dich auch nicht mit dir. Übe sanfte Kritik!

Eine Binsenweisheit, dass man im Zusammenleben mit einem geliebten Menschen Distanz und Nähe
pflegen muss. Der gemeinsame Alltag ist Zeuge, sehr weise und ohne Binsen.

Manchmal ist der Inhalt überraschend, manchmal die Form. Beides zugleich fällt selten zu.

Wer lebte nicht mit der verhaltenen Erwartung, dass der folgende Tag besser werden würde als der gegenwärtige? Dieses Da-könnte-noch-etwas-kommen, das reinste Lebenselixier. Und eh man sich versieht, verbringt man ein ganzes Leben damit, auf ein Morgen zu spekulieren, das die Erwartungen selten erfüllt. Die eigene Biografie, zusammengesetzt aus Morgenhoffnungen.

Im Grunde ist alles schon da gewesen. Ich kaue nur wieder, was unzählige Male vor mir bereits durchgekaut wurde. Und dann bilde ich mir auch noch etwas ein auf meinen geistigen Verdauungsprozess.

Handelt es sich um Liebe, wenn man keinen Grund (mehr) angeben kann für die Intensität ihres Daseins? Man schaut den anderen an und freut sich und weiß nicht warum.

Auch ein Motto seines Lebens: hier sein, um sich zu erholen.

Kunst kommt von Können. Das ist mein Credo, an das ich gerne glauben würde, weil dann alles durch Bemühung allein seine Bewandtnis hätte.

Die Zeit kommt mir so nah, dass mein Herzschlag ihren Rhythmus bestimmt. Weh mir, er stockte oder setzte gar aus!

Ich mache mir und anderen unentwegt etwas vor. Das ist das Einzige, was man mir nicht nachmachen kann. Selbst ich schaffe das nicht.

Er lebt in zwei Familien. Beide sind in Bildung begriffen, aber in keiner ist er im Bilde.

Seine besondere Vorliebe für Musik war immer nur Vorwand. Statt sich dem Ernst des Lebens zu stellen, badete er lieber in Wohlklang. Die Sorge für eine leidliche Existenz, überließ er anderen.

Nicht, dass ich verstumme und den Anschein erwecke, ich sei einverstanden mit mir. Ich bekenne, ein befangener Richter zu sein, berufen von mir selbst und befasst mit nichts als der eigenen Sache.

Ich ertrage nicht, was es zu ertragen gäbe und was zu ertragen meine mitmenschliche Aufgabe wäre. Das macht mich zu einem untragbaren Menschen.

Schreiben ist Niederlegen. Am Ende wird daraus ein ganzes Leben.

Seit er sich entscheiden muss, hat er dem Leben Lebewohl gesagt. Dass er noch lebt, verdankt er den Entscheidungen anderer.

Ich behalte nichts. Alles, was ich mir aneigne, gleitet mir durch die Finger wie Sand.

Ich arbeite nicht zeit-, sondern ergebnisorientiert. Dafür brauche ich regelmäßig Zeit.

Der Rechtsbeugung geht die Sprachbeugung voraus.

Wem, außer dem Narr, billigte man zu, sich über Verhaltensweisen und Lebensverhältnisse anderer zu erheben? Es mag allenfalls gestattet sein, auf die Differenz abzuheben, die sich ehrlicherweise zur eigenen Lebenssituation und Daseinsweise ergibt, dass man selbst anders empfindet und anderen Ausdruck sucht im eigenen Leben, möglicherweise unüberbrückbar gegensätzlich.

Mit der Zeit gehen: entdecken und vergessen, entdeckt und vergessen werden.

Künstlerische Arbeit ist wie tägliches Brotbacken, mit dem Unterschied, dass sie beim Bäcker Schlange stehen (heutzutage nicht selten zu Unrecht).

Erfahrung lässt schweigsam werden und wahre Liebe verwirklicht sich im Ungesagten.

Ich stehe im Schutz vermuteter wie unterstellter Nutzlosigkeit. Sie wirft ihren Schatten über meine belanglose Existenz, so weit und so dicht, dass niemand genau bestimmen kann, wer und wo ich eigentlich bin. Vielleicht gibt es mich am Ende gar nicht. Auf meinem Grabstein wird dereinst stehen: Er hat für nichts gelebt, das hat ihn unsichtbar gemacht.

Tyrannei aus gemeinen Absichten ist verwerflich, Tyrannei aus vermeintlich besserer Erkenntnis verwerflicher.

Ich werde mein Ende finden. Darauf kann ich setzen.

Meditatives Schauen als verweilendes Schauen, liegenbleibend auf dem Geschauten wie schwermütige Spätsommerluft.

Gott ist ein Spieler. Er spielt alle Arten von Spielen. Die Würfel hat er allerdings beiseite gelegt, seit Einstein.

Alltag erfüllt nicht, er füllt (eine ansonsten beunruhigende Leere).

Ich liebe Kunstwerke, die in ihrer scheinbaren Vollkommenheit eine heilige Unruhe bewahren, die geradezu auf neue Werke drängt. Ein in sich abgeschlossenes Kunstwerk hat etwas Illusionäres.

Modern ist aktuell Rückschritt, scheinbar.

Das Leben ist nicht dazu angetan, zu einem abschließenden Urteil seiner selbst zu kommen. Es ist einfach nicht gebildet genug.

Biografie als lose Häufung von Zuständen, Situationen, Erlebnissen. Dagegen die Erinnerung, die daraus ein Episodendrama macht, folgerichtig bearbeitet wie im Film.

Was ich im Gestaltungsprozess (und nicht nur dort) nicht mehr rückgängig machen kann, legt mich fest. Was mich festlegt, lässt mich erstarren. Erstarrung aber ist Fakt des Todes, inhärent der Kunst wie ihr fremd.

Manche Bilder, die mir vordem nichts zu sagen hatten, finden späterhin überraschenderweise doch noch die richtigen Worte. Andere dagegen bleiben stumm. Von ihnen erwarte ich keine Überraschung mehr. Meine Geduld hat Grenzen.

Ich möchte im Gestaltungsprozess entdecken, was in mir steckt. Darum mache ich mir so wenig Vorgaben wie möglich.

Das Verputzen von Gebäuden wird zur verhüllenden Notwendigkeit da, wo der Untergrund im Spiegel seiner technischen Verarbeitung allzu eintönig steht. Alles eine Frage des Mauerwerks.

Haus steht für Behausung, Symbol menschlichen Bedürfnisses, selbst im bescheidenen und vorübergehenden Sinn. Haus diskreditiert man nicht, vielleicht nur, wenn es seinen archaischen Bezug zu verlieren droht. Aber wer hätte den noch.

Realität ist immer Detail, Detail, an das sich weitere Details anschließen, und weitere, hunderte, tausende, unzählbare. Man wird ihrer nicht Herr, im Gegenteil, man muss sich hüten, nicht ihrerseits beherrscht zu werden. Nicht verwunderlich, dass man der Realität ungern ins Auge sieht. Es könnte überlaufen und man würde geflutet.

Realitätsverlust ist eine nicht so ganz unverständliche Reaktion auf Realitätsverdruss.

Arbeiten, die mir gelingen, überraschen mich. Ich hätte das nicht für möglich gehalten am Anfang.

Am Beginn steht der Zweifel. „Das schaffst du nicht“, redet er mir ein. Jedes Mal die gleiche verstörende Botschaft. Mittlerweile weiß ich, dass er das nicht so meint. Er will einfach nur dazu
gehören. Darum habe ich ihm einen Platz angewiesen in meinem Arbeitsraum. Da darf er sein, aber nur da. Verlassen darf er seinen Platz nicht. Manchmal, wenn ihm langweilig ist und er sich zu sehr regt, hole ich ihn aus seiner Ecke und nehme ihn in den Arm. Dann wird er ganz klein und rutscht mir durch die Hände. Eine Weile lässt er dann nichts mehr von sich hören und ich habe meine Ruhe.

”Man muss wissen, sich zu bewahren: stärkste Probe der Unabhängigkeit”. (Friedrich Nietzsche, ”Jenseits von Gut und Böse” - Der freie Geist, Abs. 41).

Das Denkvermögen kann mehr als eine rein materielle Auffassung es zulassen würde. Schon diese selbst kommt ja ausschließlich im Zuge eines wissenschaftlichen Denkens zustande (hirnphysiologische Zusammenhänge können sich nun mal nicht selbst erklären).

Ich liebe es, wenn meine Stimme sich in mir regt und ich noch gar nicht festhalten kann, was sie mir zu Gehör bringt, sie aber schon alles zu wissen scheint.

Das Gebäude muss einmal alt gewesen sein, stand es doch inmitten von Häusern, die sich im Gegensatz zu ihm ihr Alter bewahrt hatten. Ein etwas morbider Charme, der sich einzig und allein der Zurückhaltung verdankt, Gebrauchsspuren, wie sie die Zeit hinterlässt, zu tilgen. Besagtes Gebäude, das ich auf Empfehlung von Bekannten aufsuchte, um mir darin eine Atelierwohnung anzusehen, hatte diesen Charme zwangsläufig eingebüßt. Eigentlich erkannte ich schon von weitem, dass die Wohnung, die mir hier würde angeboten werden, unmöglich etwas für mich sein konnte. Ein unangenehmes Gelb drang auf mich ein, cremig, wie ein Klecks überrahmter Butter, den ein achtloser Koch zwischen die Naturfarben der umliegenden Steinbauten hatte fallen lassen. Abschließende Glasur als Resultat einer wärmedämmenden Fassadenbearbeitung. Die ursprünglichen Fenster des Hauses waren dabei ausgewechselt, einige Durchlässe wahrscheinlich sogar zugemauert worden. Entsprechend entleert ödeten mich die sauber verputzten Wände an. Von einer lebendigen Fassadengliederung, die ästhetisch sinnvoll gesetzte Fenster in der Lage sind zu schaffen, keine Spur. Nun braun gerahmte Löcher, kunststoffgefasste Lichtschleusen mit Dreifach-Isolier-Verglasung, die sich in teilnahmsloser Fehlstellung irgendwie über die Fassaden verteilten. Das Innere des Hauses entsprach seinem äußeren Erscheinungsbild. Auch hier hatte ein naiver oder einfach nur geschmackloser Sanierungswille dominiert. Es wäre zu viel der Aufmerksamkeit, ins Detail gehen zu wollen. Immerhin, das Treppenhaus schien noch original. Stufen und Handläufe aus gedunkeltem Holz, die sicher zahllose Reinigungen und Polituren über sich hatten ergehen lassen. Sie wenigstens gaben noch Lebenszeichen von sich. Welch eine liebenswerte Opposition zum Restzustand des Hauses.

Kunsttätigkeit ist nicht nur Produktion von Kunst, sondern Lebensinhalt, der das Leben zum Innehalten zwingt und so inhaltsreich werden lässt. Man gibt Leben auf in dem Maße wie man Leben gewinnt.

Der Sinn des Lebens steht im Kontakt mit einem sinnvollen Leben. Was das heißt und bedeutet, auch im Detail, ist der eigenen Kreativität überlassen.

Politisches Handeln und gesunder Menschenverstand gehen nicht immer überein, von politischem Anstand ganz zu schweigen.

Ich bin ein zeitgemäßer, weil zeitbedingter, Materialist, der ohne Metaphysik nicht auskommt.

Am Ende möchte ich nicht zu mir sagen: das oder jenes hättest du besser machen können. Versäumnisgefühle sollte es nicht geben, nicht zu diesem Zeitpunkt. Statt dessen würde ich mich freuen, frei im Geist und leichten Körpers, meiner Endlichkeit Ade sagen zu können.

Ob abstiegsgefährdet oder aufstiegssicher, ich bin mir selbst überantwortet. Niemand sonst ist zuständig.

Wunderbar geheimnisvoll wie sich die Bilder rings an den Wänden im Morgengrauen nach und nach aus dem Dunkel lösen. Als ob sie von unsichtbarer Hand zum Leben erweckt würden. Vielleicht ist es ein Irrtum zu meinen, sie müssten immer beleuchtet sein. Vielleicht ist das Phänomen des Erscheinens das entscheidendere.

Wer Liebe nicht loslassen kann, wird auch den Hass nicht los.

Gottgewollt ist nichts, menschengemacht alles, bis auf den Beginn. Aber den kann der Mensch auch schon, zumindest im Kleinen, was zu seiner eigenen Vernichtung vollkommen ausreicht.

”Höhere Erkenntnis ist diejenige, die eine niedrigere als solche erkennt”, flüsterte mir die zarte Stimme zu, bevor sie sich im Klageruf des Käuzchens verlor, das sich - wie in einem alten Kinderbuch - geheimnisvoll von der orangefarbenen Silhouette des untergehenden Mondes abhob.

Die Stunden sind nicht gleich und vermeintlich gleiche Orte gleichen sich nicht. Ich war auf dem Weg in die Stadt und kam an einem Gebäude vorbei, das ich in der Vergangenheit schon viele Male bewundert hatte. Ein historisches Bauwerk mit stilvoller Fassade. Einem plötzlichen Impuls folgend, bog ich ab in eine kleine Seitenstrasse, um mir das vierstöckige Haus von hinten anzusehen. Die Gasse war nicht der Rede wert und auch der Prachtbau, wie ich ihn von seiner Vorderseite her kannte, verlor sehr an Wirkung, ja bekam etwas Schäbiges. Wie lieblos die Loggien an der renovierungsbedürftigen Hauswand klebten, geschmacklos fast, ohne Wertschätzung der historisch-baulichen Gesamterscheinung. Zu einer anderen, freundlicheren Tageszeit hätte mich dieser Anblick vielleicht nicht gestört. Hier und jetzt aber bedrückte er mich und insgeheim bereute ich meine Neugier, die mich in die kleine Seitenstrasse hatte abbiegen lassen. Alles Ansichtssache, dachte ich noch.

Wo andere nichts zu sehen scheinen, kann ich mich vor Sehempfindungen kaum retten.

Immer bemisst unser Erinnerungsvermögen, man könnte auch von historischem Bewusstsein sprechen, Ort und Zeit.

Ist nicht Vorbehalt (vielleicht auch Skepsis, in jedem Fall eine gewisse Distanz) Hauptantrieb für Kunst und Wissenschaft? Was uns hinreißt, können wir schlecht untersuchen.

Dass das Leben etwas mit einem vorhat, ist eine schöne Illusion. Meist ist es umgekehrt: man versucht etwas aus seinem Leben zu machen. Notgedrungen. Die Zielstrebigen erreichen mitunter, was sie sich zum Ziel gesetzt haben, nicht ohne (insgeheim) irgendwann zu begreifen, dass es das vielleicht nicht war, was ihnen einst erstrebenswert schien. Anderen, die ohne besonderen Ehrgeiz sind und sich - aus gutem Grund oder umständehalber - allzu konsequenter Lebensplanung enthalten, entfaltet sich das Leben ohne nennenswertes Zutun wie ein glücklicher Zufall. Ein gelingendes Leben, was könnte das sein? In jedem Fall eines, das jedem ein anderes Geheimnis enthüllt.

Seine Liebesfähigkeit reicht nicht weit. Belastbar ist sie schon gar nicht. Sie gleicht eher einem brüchigen Herbstblatt, das schon ein leichter Wind davon weht.

Vorankommen (im Leben) ist dem Mitmensch geschuldet. Wer sonst sollte Platz machen?

Fortschritt ist eine Sache der Sichtbarkeit. Wo keiner hinschaut, gibt es auch keine Entwicklung.

Er hält sein Leben mehr aus, als dass er es aktiv gestaltet. Ein Meister der Hinnahme ist er.

Wo andere profitieren, widerfahren Ihm Verluste. Dass er gewinnen könnte im Leben, scheint er von Beginn an ausgeschlossen zu haben.

Ein Leben ohne Einschränkungen? Die einsame Insel, fernab der Zivilisation? Das will keiner wirklich und dazu ist auf Dauer kaum jemand fähig. Bleibt der Kompromiss, je und je eine mehr oder weniger zu (er)duldende Einschränkung. Des Bezugs wegen, zu anderen und zum geliebten Menschen, geliebt, weil er nahe kommt (und nahe kommen darf) wie niemand sonst.

Willst du deinen eigenen Stil finden, musst du solange arbeiten, bis Fragen des Stils für dich keine Rolle mehr spielen (das betrifft auch den Lebensstil).

Künstlerische Arbeit ist für mich so privat wie hauptsächlich.