May 2019

Grundsätzlich geht es in der Kunst immer um etwas, das über das sichtbare Werk hinausreicht (weist) und doch ganz und gar in ihm verankert ist. Die Schwierigkeit dieses widersprüchliche, materiell-geistige Wechselspiel zu fassen, besitzt essentielle und darum existentielle Bedeutung. Was Kunst ausmacht eben.

In meinen Werken schaffe ich, wenn nicht eine neue, so doch zumindest eine andere Wirklichkeit. Sie verdankt sich letzten Endes einem Zukommenden, einem Gestaltungsimpuls, der mich trifft wie ein Geschenk. Man kann es das Musische nennen oder wie an anderer Stelle und in anderem Zusammenhang als ”nicht von dieser Welt” bezeichnen. Nichts Besonderes also, im Prinzip etwas, das uns alle angeht, sofern wir es angehen (lassen).

Gutes und Schlechtes im Leben ist auch eine Sache des guten wie schlechten Geschmacks.

Schon bald trat ich dem Bund der ”Morgenlandfahrer” bei, einer frei zugänglichen Kommunität internationalen Zuschnitts. Besondere Voraussetzungen hatte ich nicht zu erfüllen und ich glaube auch andere nicht. Mitgliedsbeiträge wurden nicht erhoben. Eine völlig unabhängige Vereinigung, weder zu finden in einem Verzeichnis gemeinnütziger Vereine, noch in irgendeiner Gegend dieser Welt mit einer Niederlassung präsent. Mir erschien das Motto ”Morgenlandfahrt” auf Anhieb sympathisch. Reisen zu können, ohne unterwegs sein, bzw. ein Ziel haben zu müssen. Trotzdem Schauplätze aller Art, fruchtbare Entdeckungen und manchmal auch heikle Situationen. Sehr besondere Menschen begegneten mir auf meinen Ausflügen, liebenswert mitteilsam. Viel konnte ich von ihnen lernen und heute, wenn wir uns ab und an wieder über den Weg laufen, kann auch ich sie teilhaben lassen. Ich habe meine Mitgliedschaft keinen einzigen Tag bereut. Mit reinem Gewissen kann ich sagen: einmal ”Morgenlandfahrer”, immer ”Morgenlandfahrer”. Sich auszuschließen, ist so gut wie unmöglich, ein Ende der Mitgliedschaft nicht vorgesehen.

Will ich etwas wirklich Gutes zeichnen, darf ich eigentlich nicht hinschauen.

Nie hatte er sich in etwas anderem eingerichtet als sich selbst. Saß er an fremden Tischen, dann nur vorübergehend und wie zum Schein, damit nicht auffiel, wo er sich aufhielt, wo er in Wahrheit beheimatet war. Zu Hause - und damit ist nicht der Flecken gemeint, an dem er seine Tage zubrachte - war er meist allein. Nicht dass er sich das gewünscht oder ausgesucht hätte. Es hatte sich so ergeben. Dass er sein Beheimatetsein nur mit wenigen teilen konnte, lag an allgemeiner Unkenntnis und, entscheidender, am fehlenden Wunsch der Teilhabe. Manchmal beschlich ihn das Gefühl, dass der Ort seiner Geborgenheit anderen Menschen Unbehagen bereitete. Auch darum blieb er für sich, dort in seinem Glückswinkel. Die seltenen Gäste behandelte er äußerst zuvorkommend, ja fast liebevoll. Von niemandem hätte man sagen können, er wäre leichten Herzens geschieden.

Wer nichts zurücklässt, hat nicht gelebt. Wer aber mehr zurücklässt, als er gelebt hat, beschwert seinen Abschied und den der Zurückbleibenden.

Die endgültige Lebensordnung gibt es nicht. Das Leben ist dafür nicht endgültig genug.

Auch gibt es Worte, die zu groß sind, zu schwer, als dass man sie tragen könnte, spräche man sie aus oder schriebe sie gar nieder.

Beim Zeichnen wende ich mich einerseits dem Schwarzweiß zu, das meine Hand auf dem Untergrund hinterlässt, andererseits einer wie auch immer gearteten Vorlage. Kurz gesagt: weder zeichne ich ab, noch zeichne ich nicht ab; am Objekt und weg vom Objekt finde ich zeichnerisch zu einem anderen Objekt (wenn es gut läuft). Der Zufall spielt dabei eine objektivierende Rolle.

Der Zustand hinreichender Erfüllung, eine Situation des ”Nochnichtganz”, aber ”Schongeradegenug”, markiert für mich das notwendige Ende eines Werkprozesses. Ab diesem Moment fügt jedes Weiter Schaden zu und vor ihm stellt jede Scheu vor einem weiterbringenden Gestaltungsschritt ein Versäumnis dar.

Zu nichts nütze, hat er sich darauf spezialisiert, Unnützes zu tun, z.B. zu beobachten wie die Zeit vergeht. Da ihm viel Zeit zur Verfügung steht, ist das eine fast unlösbare Aufgabe.

Seit der Verbildlichung seines Lebens, von der er sich wesentliche Aufschlüsse über sich selbst erhofft hat, stolpert er vergeblich von Bild zu Bild auf der Suche nach sich selbst. Bislang hat er sich nicht gefunden. Wo er sein müsste, ist nichts, absolut nichts. Ein niederschmetternder Befund, dem er mit dem Versuch begegnet, sich immer wieder neu zu entwerfen, um mit dem Neuentwurf die befremdliche Lücke auszufüllen. Von Bild zu Bild wird er so ein anderer, was für Außenstehende eine zugegebenermaßen irritierende Strategie darstellt.

Man trifft nur ein paar Mal im Leben Menschen, mit denen man in weiterer oder engerer Beziehung durchs Leben geht. Die Zahl vielversprechender Kontakte kann weitaus größer sein. Meist aber erfüllen sich die Versprechungen nicht. Das erkennt man dann nur ungern, unwillig. Man will nicht wahrhaben, dass man vielleicht überfordert sein könnte, einer größeren Anzahl von Menschen nahe zu sein.

Ich habe keine Verpflichtungen. Mein Tagewerk besteht aus nichts. Damit habe ich genug zu tun.

Genau genommen bedarf der Bildvorgang einer Überschau genauso wie eines Hineinverwobenseins.

Wer einen Narr nicht ernst nimmt, dem vergeht das Lachen.

Als Kind las ich den ”Till Eulenspiegel”. Er faszinierte mich mit seinen verrückten Späßen, auch wenn ich ihre Hintergründigkeit noch nicht so ganz begriff. Und da war noch etwas anderes neben der Faszination, etwas fast unmerklich Beklemmendes, wie eine sanfte Schwermut. In jedem Fall eine spürbare Kehrseite der scheinbar lustigen Unbedarftheit des Protagonisten. Später dann, viel später, die sinfonische Dichtung ”Till Eulenspiegels lustige Streiche” von Richard Strauss, mit der es mir ähnlich erging. Ein zartes Grauen am Herz, Schatten der Narrheit.

Ein Tag, dem Sonne verheißen war, zerging lustlos und ohne ein Lächeln unter der Last anhaltend grauen Zwielichts.

Die größte Narretei, als Narr allein mit sich zu sein.

”Ich habe es in meinem Leben zu nichts gebracht”, spricht der Narr und freut sich.

”Die Würde des Menschen ist unantastbar”, auch wenn er sich würdelos verhält?!

Künstlernaturen leben ein wenig weltfern. Nah ist ihnen der Bereich der Fantasie, eine Region, die man fast paradiesisch bezeichnen könnte, wäre dieses Wort nicht schon anderweitig vergeben. Leider ist der Aufenthalt dort zeitlich begrenzt, genau genommen für die Dauer der künstlerischen Betätigung. Und da die Intensität dieses Prozesses von Natur aus schwankend ist, zeigt sich auch der Zutritt ins Reich der Fantasie Schwankungen unterworfen. Viel Zeit ihres Lebens, vor allem die paradiesferne, verbringen Künstlermenschen mit seligen Erinnerungen (eine etwas missverständliche Formulierung, aber sie passt gerade so schön). Deshalb bezeichnet man sie gerne als verträumt. Das stimmt und stimmt wieder nicht. Im Grunde sind sie nur damit beschäftigt, wenn auch sehr konzentriert und anhaltend, aus ihrer temporären Eintrittskarte ins Fantasiegebiet eine Dauerkarte zu machen, wenn auch ohne Erfolg. Aber das verstehen Fachfremde nicht so recht.

Auf meiner Eintrittskarte ins Fantasiegebiet steht übrigens mein eigener Name.

Und übrigens schafft man sich das Reich der Fantasie selbst, es existiert nicht außerhalb, einfach so und fest umrissen und für alle zugänglich. Man muss sich schon seinen höchstpersönlichen Reim darauf machen. Ein eigener Name kann dabei hilfreich sein.

Der gleichmäßige Regen lässt wachsen und gedeihen, der stürzende zerstört.

Worte sind in Gebrauch wie Kleidungsstücke. Man wechselt sie nach Anlass und passend zum eigenen Geschmack. Nun werden Körperbedeckungen mit der Zeit schmutzig und müssen gereinigt werden. Desgleichen mit Worten, zumindest mit manchen. Hier ist der Reinigungsvorgang allerdings schwieriger. Es gibt nur zwei Waschprogramme, wobei eines eigentlich gar keines ist. Entweder man verwendet die Brauchworte weiter unter Betonung individuell-moralischer Unbedenklichkeit (was leicht zu Missverständnissen führt) oder man streicht sie aus dem eigenen Wortschatz.

Ich lege mindestens soviel Wert auf den Prozess wie auf das Ergebnis. Eigentlich kann ich beides nicht wirklich voneinander trennen. Jedes Ergebnis setzt einen Prozess voraus, wie dieser ein Ergebnis nach sich zieht.

Vor allem das Klare in den Portraits von Jan van Eyck, vielleicht auch Reinheit. Darüberhinaus ein Unbestimmbares, geheimnisvoll entfernt und nah zugleich, eine Kostbarkeit, eingeschlagen in edles Geschenkpapier.

Überhaupt von Vorteil, in der Kunstausübung die eigene Disziplin kennenzulernen und auszubilden. Es wird sich dabei immer um eine sehr spezielle, weil persönliche, Mischung aus zügelnden und vorwärts treibenden Impulsen handeln. Was je an der Reihe ist, bedarf besonderer Aufmerksamkeit (der Wagenlenker, der die Zügel schießen lässt und anzieht).

Der Narr als vorbildlicher Mensch, der seine Faszination einbüßt, wenn alle Menschen Narren sind.

In Sachen schöpferischer Prozess: weniger das individuell Gemachte, mehr das individuell Zukommende.

Manchmal denke ich, mein Schaffen ist uneinheitlich und wirr. Irgendwie kein Stil, rede ich mir ein. Statt dessen könnte ich auch sagen vielgestaltig, abwechslungsreich, was positiv klänge und - wenn man so will - mein Stil wäre.

Das Verbindende und Verbindliche in meinen Kunstschöpfungen bin ich, wenn auch nicht ich allein.

Authentisch ist ein Kunstwerk, wenn es wahr ist. Das Wahre aber kommt zu, zwar gemacht, aber nicht beabsichtigt.

Das Erreichbare, ja. Zielstrebigkeit aber schenkt das Unerreichbare.

Ich bewundere Menschen, die sich ein Leben lang geduldig und beharrlich einer Sache widmen (sei sie noch so bescheiden). Am Ende ihres Lebens schauen sie mit Wohlgefallen zurück auf ihr Lebenswerk und nehmen gelassen Abschied.

Schöpferisch betrachtet ist es hilfreich über die eigene Lebensspanne hinauszublicken.

Ein Genussmensch wie er ist süchtig nach den schönen Seiten des Lebens. Darum muss er alles Hässliche aus der Welt schaffen, aus seiner Welt. Also blicklos sein. Kein Leid, keine Probleme. Abwendung und Hinwegsteigen, wie man über Fallobst steigt, das, dem endgültigen Verfallsprozess alles Lebendigen preisgegeben, keiner Betrachtung mehr wert ist und schon gar nicht einer Berührung. Dass aus ihm selbst ein fauler Apfel werden könnte, vielleicht schon morgen, blendet er diskret wie entschieden aus. Dabei schüttelt es ihn vor Furcht, innerlich, und seine ausschweifende Genusssucht dient in Wirklichkeit nur dazu, seine Vergehensangst zu verdrängen. Aber das weiß er nicht. Er würde den Tod auf Knien um Aufschub bitten und am allerliebsten um Verschonung. Es könnte ja etwas Schönes geben, an dem er sich noch nicht gelabt hat.

Das Kunstwerk als vorübergehende Antwort, nicht im Sinne abschließender Beantwortung, sondern wegstrenger Einkehr.

Wer im Bild ist, ist auch im Leben, und er ist vor allem am Leben.

Kunst als (vielleicht einzige) Daseinssituation, die Wirkung zeigt, ohne wirken zu wollen (oder wirkt, ohne eine Wirkung zu zeigen?).

Ich habe nur ein Gesicht. Auf ihm drückt sich alles aus, was mich ausmacht. Darunter gibt es nichts, auch für mich nicht, außer vielleicht dem letzten, dem sogenannten wahren Gesicht, das erst am Ende, mit dem Aushauch, zur Erscheinung kommt (wie es heißt).

Kunstvermittlung kontra Kunstschöpfung? Oder müsste es besser heißen: Kunstvermittlung als Kunstschöpfung?

Wer die Hölle kennenlernen will, muss nicht weit reisen.

Um sich zu positionieren, sollte man wissen, wogegen man sich stellt, mehr aber, wofür man steht.

Manchmal treibt es ihn weg von seinem Lager, hinaus in die Dunkelheit der Nacht. Dann streift er durch die leeren Straßen der Stadt, die ihm so vertraut wie unergründlich ist, und weiß nicht warum. Sein Gang ist zielstrebig ohne Ziel und seine unsinnig eiligen Schritte hinterlassen nur kurzweilige Spuren auf dem nachtfeuchten Asphalt. Erschöpft kehrt er in den frühen Morgenstunden zurück, ein Zwielichtiger im Zwielicht, während andere sich eilig bereit machen, um sich ins Tagesgeschäft zu stürzen. Er dagegen sinkt auf sein kaltes Lager nieder und sucht vergeblich Zuflucht zu einem dünnen Schlaf.

Abzeichnen ist nicht meine Sache. Nur mühsam gelingt es mir, zeichnerische Ähnlichkeit zum Gegenstand herzustellen. Statt dessen und überraschender Weise finde ich zu anderen Resultaten freier, mir entsprechender Handschrift, ob sie mit dem Vorbild nun etwas zu tun haben oder nicht. Entscheidend ist der Ausdruck.

Musik geht mir zu Herzen, sie raubt mir manchmal den Verstand und oft scheint sie mir zu sagen: wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

Ich liebe die Anregung eines Gegenständlichen, aber sie soll mich nicht fesseln. In Fesseln schlage ich mich selbst.

Auch wäre zu fragen, was sich ein Gott gedacht haben könnte, den Mensch anzuweisen, sich die Erde untertan zu machen. Es muss sich wohl um eine andere Zeit gehandelt haben, eine andere Lebenssituation, die die Existenzbedrohung in den Vordergrund stellte. Heute, um einige tausend Jahre erfahrener, würde derselbe Gott möglicherweise sagen: Lasst die Finger weg.

Ist Innen nichts, kann Außen nichts zur Erscheinung kommen, und Innen nichts keimen, wächst Außen nichts.

In eine Großstadt fährt man, aber man wohnt nicht in ihr. Und wenn doch, sucht man die überschaubaren Strukturen der Kleinstadt auf.

Man kann einer Ideologie nicht nur zum Teil anhängen (nach dem Motto: sie hat ja auch ihre guten Seiten). Man verschreibt sich ihr ganz, wenn man sich einlässt, oder lässt es bleiben (was zu empfehlen ist).