Apr 2019

Religiöses Empfinden empfindet notwendiger Weise, genau an der Grenze zwischen Sein und Nichtsein. Es leidet wie ein Liebender, dessen Liebesobjekt, obwohl ständig vor Augen, unerreichbar bleibt.

Fern seiner selbst baut er unermüdlich Brücken, die sich über nichts hinweg schwingen und auf die niemand je einen Fuß setzt. Aber er baut, das immerhin.

Die lauten Ereignisse sind gerne von geringer Relevanz. Sie schrumpfen inhaltlich, je mehr sie verstärkt werden.

Auf einer meiner unzähligen Weltwanderungen traf ich einen alten Mann. Er saß am Wegrand und rauchte versonnen eine leicht gebogene, einen angenehmen Duft verbreitende Pfeife. Kurz blickte er auf, sah mich aus klaren, durchdringenden Augen an und sagte mit einer überraschend fort weisenden Handbewegung: ”Geh’ deinen Weg!” Er ist mir seitdem nicht mehr begegnet, aber an manchen Tagen, wenn ich im Garten unter meinem Baum sitze und meine Pfeife rauche, muss ich an ihn denken. Dann erfüllt mich eine tiefe Dankbarkeit.

Nichts ist beständiger als der Wandel und nichts von geringerem Bestand.

Man missversteht Bildung, fasst man sie nur als eine intellektuelle Leistung auf.

Art der Betrachtung und Gegenstand der Anschauung sind unmittelbar miteinander verbunden im Sinne gegenseitiger Beeinflussung.

Willst du alles wissen, weißt du nie genug. Immer wird es etwas geben, das du nicht weißt, und der mahnende Drang diese Lücke zu schließen wird dich nicht in Ruhe lassen.

Die Wahrheit ist, dass die Annahme der Wahrheit immer meine eigene ist.

Die geistige Frische eines Morgens kann vielerlei Beeinträchtigungen ausgesetzt sein, auch und vielleicht gerade auf dem Land. Heute war ein Bagger der Störenfried, der sich allzu früh ans Werk machte und mich mit seinen Arbeitsgeräuschen, die nur von den wechselnden Beschaffenheiten des Erdreichs etwas aufgelockert wurden, aus meinen Gedanken riss.

Ohne mich um Erlaubnis zu fragen, verschafft sich das Leben Zugang und legt es darauf an, mich mit der Siegesgewissheit seiner unendlichen Geschichte zu beglücken. Nur mit Mühe kann ich seiner Aufdringlichkeit entgehen und es fern halten vom Innersten meiner selbst. Ich tauge nicht für Weltzusammenhänge und zur Lebenstüchtigkeit fehlt mir der blinde Mut.

Da er sich abstößt von allem und jedem, wird er von anderen auch so empfunden. Abstoßend. Unvorstellbar, dass seiner seelischen Hässlichkeit ein liebendes Herz begegnen könnte.

Das Alterswerk (hier auf Kunst bezogen) will und muss nicht gefallen.

Nah steht sie mir und fern zugleich, wie es zwischen Liebenden nun mal so ist.

Ich bin Bildender Künstler (ob es sich dabei um einen Beruf handelt, sei dahingestellt). Außenstehenden, ich könnte auch sagen Fachfremden, ist dies nicht unbedingt auf Anhieb verständlich. Ich bemühe mich daher um Vermittlung, wobei der Übersetzungsprozess lückenhaft bleibt; die richtigen Worte fehlen, und nicht nur das: ich bin mittlerweile der Überzeugung, dass es sie - abgesehen von holprigen Annäherungen - nicht gibt. Nur soviel sei gesagt. Ich arbeite durchschnittlich sechs Stunden pro Tag, sofern mich nicht Krankheit oder andere Verpflichtungen daran hindern, theoretische Studien nicht inbegriffen. Und, auch nach gut 33 Jahren macht mir meine Arbeit meist Spaß.

Heute möchte ich ein Bild zu Ende bringen. Diesen Wunsch habe ich manchmal, obwohl er unsinnig ist und meine Erfahrung gegen ihn spricht. Das Bild bestimmt, wann es fertig ist, und noch etwas mit ihm und seinem Entwicklungsprozess im Zusammenhang Stehendes, von dem zu reden wenig Sinn macht, weil es mir dafür an hinreichenden Worten mangelt.

Ich würde Entschlafen dem Wort Sterben vorziehen, des Aushauchs wegen, der in ihm anklingt.

Sterben, ein abstraktes Wort für den Verlust des Lebens. Der Körper löst sich auf, was er schon immer tat, nur ohne Erneuerung jetzt. Seine materiellen Gegebenheiten zerfallen in elementare Bestandteile, ein für alle Mal. Man ist nicht mehr und was man darüberhinaus noch sein könnte, hat nicht mehr Bedeutung als eine Vermutung zum Inhalt haben kann. Erlösung, vielleicht, Aussicht auf ein paradiesisches Jenseits, das sich guter Lebensführung verdankt oder nichts als Wegfall irdischer Last?

Das extrovertierte Verhalten meiner frühen Jahre war nichts anderes als eine peinliche Zerstreutheit, ein haltloses Flattern von hier nach dort, seicht und ohne Stil. Aber bis heute, vertrauter mit mir selbst, meinem Innengebiet, und vermeintlich nahe einer Daseinsbestimmung, die meine sein könnte, bin ich dieser mittlerweile weit zurückliegenden Vergangenheit mit ihrem vermeintlich oberflächlichen Wirrwarr dankbar, ist sie doch Teil meiner Geschichte wie alles andere auch.

Noch einmal Aufbruch, aber ohne mit Bestehendem zu brechen.

Er ist ein Meister der Enthaltung. Was er nicht anfängt mit seinen Talenten, schreit zum Himmel. Das Wenige aber, das er bewirkt, ist ohne Arg.

Vor allem der Drang nach Kreation …

Sprachen die Alten über Wahrheit, wird heute über Wahrscheinlichkeit diskutiert. Ein glattes Wort für die Relativität von allem und jedem.

Die Neigung zu Melancholie muss kein zur Sorge Anlass gebendes Zeichen von Lebensmüdigkeit sein, sondern ist ein sehr schätzenswertes, weil vertieftes Erleben von Mensch und Welt.

Ein glücklicher Moment
das morgendliche Aufwachen. Mit einem Bein stehe ich noch im Traumgebiet, mit dem anderen bereits in der Tageswelt, die mit ihren Geräuschen vergeblich an mich heran brandet, bin ich doch - eben für diese kurze Zeitspanne des Aufwachens - noch kein Teil der Brandung.

Er ist ein Mitgefühlsverweigerer aus Mitgefühl.

Dass er gern und aufmerksam zuhört, ist eine Täuschung, nichts anderes als eine breite Kulisse, hinter der er sich unbemerkt verbergen kann, während andere ihm mehr oder weniger wichtige Mitteilungen machen, die ihm in Wirklichkeit lästig sind und eigentlich nicht interessieren. Seine Umgebung scheint das nicht zu bemerken, was ihn wundert.

Der rechte Weg ist ein möglicher unter vielen. Je nach Zufall eigenen Entscheidens kann er der eine oder der andere sein, und er muss recht nicht bleiben.

Mit den großen Dingen des Lebens beschäftigt man sich am besten im Kleinen.

Dieser Tag wird nicht die Kraft haben, sich aus dem schlierigen Grau zu befreien, das eine verregnete Nacht ihm wie ein lastendes Vermächtnis hinterlassen hat. Er wird dahingehen mit dem vergeblichen Erfassen von Bestimmungen, die niemand erlassen hat und deren Einhaltung niemand erwartet. Auf seiner Habenseite wird nichts stehen, alles aber im Soll.

Vielleicht liegt der tiefere Aspekt in der Portraitkunst darin, ein Bild zu schaffen, das es so in der Realität nicht gibt und auch nicht geben kann. Nicht in der Übereinstimmung mit einem Modell liegt hinreichender Grund, sondern in der Auffassung eines modellhaft Zukommenden, das sich vorbildlich zu einem weitgehend modellunabhängigen Gegenüber entwickelt.

Nach Wochen unfreiwilligen Nichtstuns ein holpriger Arbeitsbeginn. Ich muss mal wieder antreten gegen mich, heute und jetzt, dem Zögern und Zaudern entgegen wie einem ungerechtfertigten und noch dazu törichten Einwand, wie selbstverständlich, als ob ich noch nie etwas anderes gemacht hätte, ins Fahrwasser der Fantasie untertauchen und mich darin bewegen wie ein Fisch im Wasser.

Ein Mysterium ist ein Mysterium deshalb, weil man sich seiner Existenz nicht sicher sein kann, selbst der Eingeweihte nicht, dem allenfalls ein Zugangs- und Aufenthaltsrecht zukommt.

Bei all meinen Reisen, die ich in jungen Jahren unternommen habe, war das Unterwegssein immer wichtiger als das Ankommen. Während mich die Bewegung auf einen Ort zu in eine beschwingte Stimmung versetzte, hatte das Erreichen des Ziels etwas Ernüchterndes. Selten gelang es mir, meine Vorstellung mit dem Vorgefundenen einigermaßen in Übereinstimmung zu bringen.

Man müsste sich treiben lassen können gleich einem manövrierunfähigen Schiff in der Strömung unvorhergesehener Weiten. Vielleicht könnte man dann besser verstehen, was es heißt, ans Ziel zu gelangen.

Extrovertierte gehen gern auf Reisen, Introvertierte auch, nur dass die Ziele sich unterscheiden.

”Was wir sehen, ist nicht, was wir sehen, sondern was wir sind.” (Fernando Pessoa, ”Das Buch der Unruhe”, Ammann Verlag, S. 426, Nr. 451)
Damit ist auf einen knappen Nenner gebracht, was den Umgang mit Welt und insbesondere mit Kunst anbetrifft.

Durchaus möglich, dass ein ernsthafter Schriftsteller (in diesem Fall Béla Hamvas) zu Lebzeiten fast völlig unbekannt bleibt, geschätzt nur von wenigen Insidern, und erst lange nach seinem Tod die seinem Werk gebührende Wertschätzung erfährt, möglich, aber schwer zu verstehen und eigentlich nicht akzeptabel.

Als ich jung war, lebte ich in und aus einem Gefühl scheinbar umfassenden Vermögens. Heute, um einiges älter, ist mir dieses Vermögen abhanden gekommen. Ratlos schaue ich seinem Verlust hinter her wie einem abziehenden Frühlingsgewitter.

Auch auf unfruchtbaren Boden kann Liebe fallen und gerade dort, in der Kargheit liebesfernen Verhältnisses, unwiderstehlichen Duft entwickeln.

Meine Tätigkeit zwingt mich in einen Zustand, den ich weder mit reiner Hingabe noch mit zielstrebigem Handeln charakterisieren kann. Eher sehe ich mich als handlungsaktiven Betrachter eines Geschehens, dessen bildgebende Dramaturgie mich aufnimmt wie einen verlorenen Sohn.

Grundsätzlich besitzt er - wie wahrscheinlich alle Menschen - ein großes Interesse daran, anderen sympathisch und zugänglich zu sein. Allerdings nicht um jeden Preis.

Noch nie war es für mich von besonderer Bedeutung, den Alltäglichkeiten des Lebens mehr Aufmerksamkeit zu schenken als unbedingt notwendig.

Mitunter ist er ein Meister der Selbstverleugnung.

Wer kann schon von sich sagen, dass er im Spiegel seiner Umgebung unsichtbar sei. Nur eine Person, deren Existenz einem Versehen gleicht, besitzt diese Fähigkeit auf geradezu selbstverständliche Weise.

Immer - seien Werk und Herstellungsverfahren noch so bescheiden - beginne ich mit dem Beiseiteschieben eines Ungenügens, das mir nichts anderes signalisiert als die Möglichkeit des Scheiterns.

Wie sollte ich auf meine Umgebung und auf mich selbst mit unbefangenem Blick schauen können? Bin ich nicht Zeit meines Lebens gefangen in Sinneseindrücken, die immer schon meine sind, noch bevor ich anhebe, mir über sie Gedanken zu machen? Die Welt, und ich mit ihr, ist meine Welt. Nur ich nehme sie so wahr, wie ich sie im Rahmen meiner Seinsbefindlichkeit wahrnehmen kann. Dass die Welt der anderen meiner ähnelt, ist eine mehr oder weniger leichtfertig vorausgesetzte, trügerische Annahme. Einer aussichtsreichen Fata Morgana gleich, behütet sie mich vor der beunruhigenden Erkenntnis einer Einsamkeit, die ich ungern als das erkenne, was sie ist: unstillbare Sehnsucht nach Aufhebung.

Im Augenblick hüpft ein kleines Etwas auf die Terrasse, und ich nenne es Spatz, genauer gesagt Sperling, und hebe es mit dieser Benennung hinaus über die Masse der fliegenden Lebewesen. Aber nicht nur das, sein unstetes Hin und Her (das es übrigens mit manchen seiner Artgenossen teilt) bannt meinen Blick und öffnet mein Herz. In Sekundenbruchteilen flammen wohlwollende Empfindungen auf zwischen Freude und Erstaunen. Nicht ich wende dann meinen Blick ab, sondern das Etwas, mit Namen Sperling, entzieht sich ihm mit einer lebenstollen Selbstverständlichkeit, die nur den Wesen zukommt, die nichts von sich wissen.

Zwischendrin nehme ich mir vor (wahrscheinlich weil ich den Eindruck habe, ein allzu negativ eingestellter Mensch zu sein), mich nur noch den positiven Seiten des Lebens zuzuwenden, was natürlich nicht oder nur scheinbar geht. Und folgerichtig stellt sich dieser Vorsatz schnell als unerfüllbar heraus, geht mir doch der Sinn für Positives verloren, klammere ich Negatives aus.

Es gibt für alles eine Steigerung, nur für Glück nicht.

Der Staat, die Republik, die res publica, die öffentliche Sache also, insofern unser aller Angelegenheit ... Soweit die Idee!

Aufmerksamen Menschen kommt selten die Aufmerksamkeit zu, die ihnen gebührt. Es scheint, als ob sie in der Wahrnehmung anderer, gerade wegen der entgegengebrachten Aufmerksamkeit, unsichtbar würden. Steht demnach Aufmerksamkeit dem Mitmenschen gegenüber dem Interesse an der eigenen Person im Weg?