Jun 2022

Wer in beengten Verhältnissen lebt, nimmt diese zuweilen auch mit auf die Reise.

Weichensteller, das wär’s. Und zugleich Reisender. Ich könnte hierhin und dorthin fahren, ganz nach Belieben. So aber bin ich gezwungen, der von wem auch immer bestimmten Strecke zu folgen, in einem Zug, der noch nicht einmal über einen Speisewagen verfügt.

Man hält mich für verschroben. Das erkenne ich am (immerhin) gutwilligen Lächeln meiner Zuhörer, wenn ich etwas Schlaues von mir gebe. Ich könnte viel Schlimmeres äußern, Wahrheiten schlechthin, man würde mich vermutlich nicht ernst nehmen.

Im Großen und Ganzen bin ich Zuschauer geblieben (die muss es ja auch geben). Selten, dass ich mich einmal ins Spiel eingeschaltet hätte.

”Käse-Schinken-Baguette haben wir nicht mehr”, antwortet mir der Mann am SnackPoint im Bahnhof, ”wir haben komplett auf vegetarisch umgestellt” und dabei deutet er vielsagend auf eine Reihe vor ihm befindlicher Baguette’s, aus denen seitlich üppig Salatblätter hervorquellen.

Ein Land, das sich einmauert, um den Fortzug der mit den herrschenden Verhältnissen unzufriedenen Menschen zu unterbinden. Auf der anderen Seite: wenn fast alle gehen, was wird dann aus dem Land?

Heute morgen habe ich mich nur nach draußen gesetzt, weil es kalendarisch Sommer ist. Der Temperatur nach hätte ich drinnen bleiben sollen.

Die Licht- und Schattengeschichte eines ganzen Tags.

Züge fallen ersatzlos aus, andere verspäten sich. Die Regionalbahnen sind überfüllt. Auf den Bahnsteigen drängen sich die Menschen.

”Es tut mir leid, Sie, liebe Reisende, darauf aufmerksam machen zu müssen, dass unser Zug heute aus Lieferungsmangel über keinen BordBistroService verfügt. Des weiteren muss ich Sie darauf hinweisen, dass in den Zügen der deutschen Bahn nach wie vor eine Verpflichtung zum ordnungsgemäßen Tragen einer Mund-und Nasenbedeckung besteht, vorzugsweise einer FFP2-Maske. Diese ist während der ganzen Zugreise zu tragen.”

Die neueste Mode? Der ICE mit umlaufenden Streifen in SchwarzRotGold.

Die zweite Geburt des Mannes besteht im Ja zum Leben, das heißt im Ja zum Vatersein. Die Dritte steht mir noch bevor (oder bin ich schon mittendrin?).

Die Bevölkerung spaltet sich nach wie vor in diejenigen, die immer noch oder schon wieder Maske tragen (an Orten, an denen sie dazu nicht verpflichtet wären), und in diejenigen, die keine tragen.

Innenstadt. Gassen und Straßen voller Menschen. Gerüche von Was-weiß-ich-woher-und-wohin. Gute und/oder Schlechte? Das hängt davon ab ... Auf jeden Fall PP (Pommes und Parfums).

Auf der einen Straßenseite eine Kombo, die gutelauneverdächtig Trommeln und Blech bearbeitet, während auf der Baustelle gegenüber ein Arbeiter unisono Metallschrott in einen Container schmeißt. Dazwischen Stimmengeläut.

Was war noch mal mit dem alten, weißbärtigen Mann im fleckigen Trenchcoat mit je einer prallvollen Tragetasche in jeder Hand? - Er trug am linken Fuß einen in Auflösung begriffenen Stiefel und am rechten eine ausgelatschte Sandale.

Der strengen Körperverhüllung steht eine allzu lockere, körperliche Freizügigkeit gegenüber. Mann wünschte sich von beidem weniger für die Frau (und für sich).

Der längliche Teich, in einem baum- und rabattgesäumten Mittelstreifen der Prachtsstraße gelegen, war mit einer schmalen, nach oben abgerundeten Betonumfassung versehen. Beide Kinder, ein Mädchen und ein Bub, balancierten mit großem Geschick darauf. Nebenher schritt die Großmutter und meinte, sie müssten mal wieder alle zusammen die ”Deutschlandreise” spielen. Da kam aber schon die kleine, über den Teich führende Brücke in Sicht, auf der es sich außen, am Geländer entlang, wunderbar klettern ließ. So blieb die Frage der Großmutter vorläufig unbeantwortet.

Im Niemandsland bewege ich mich. So gut wie nichts weiß man dort voneinander und niemand sucht nach niemand. Sich zu begegnen, eine Sensation. Man wäre sprachlos und wüsste nicht, was tun.

Eine Katze beim morgendlichen Toilettengang. Ob es wohl auch einen Abendlichen gibt? Jedenfalls schleicht sie auf weichen Pfoten heran auf der Suche nach einem angenehmen Plätzchen. Dann sieht sie mich und hält abrupt inne, als hätte ich sie bei etwas Verbotenem ertappt. Wir schauen uns in die Augen. Meine signalisieren unmissverständlich: hier nicht! Ihre antworten: okay, okay, hab’ verstanden. Dann quert sie die Hecke und entscheidet sich für das Grundstück des Nachbarn.

Das Gefühl, dass einem die Zeit davonläuft, man zu nichts mehr kommt.

Dass ich mich nennenswert um andere kümmern würde, kann ich nicht gerade behaupten. Mein Hingabe-Potenzial ist knapp bemessen, eigentlich so gut wie nicht vorhanden.

Wenn eine Gesellschaft auf Schuld(en)niveau herabsinkt.

Ich bin uneingeschränkt für die Freiheit des Menschen, ohne ihr allerdings Schrankenlosigkeit durchgehen zu lassen.

Sobald der moderne Mensch, also der Mensch von heute, eine nennenswerte zeitliche Lücke entdeckt, packt er die Koffer und macht sich eilig auf den Weg. Es ist, als ob er vor sich selbst davonliefe, sich selbst abzuhängen versuchte.

Ich verbiete mir entschieden den Blick aufs weibliche Geschlecht. Begegnet mir eine anziehende Frau, senke ich die Lider und wende mich ab. Auf keinen Fall soll sie auf den Gedanken kommen können, mein wohlwollender, vielleicht sogar bewundernder Blick könne mit ihr und ihrer verführerischen Erscheinung in Zusammenhang stehen (Lüsternheit will ich mir nicht nachsagen lassen). So gesehen, bin ich, dem gegenwärtigen gesellschaftlichen Konsens gemäß, im puritanischen Zeitalter angekommen.

Wer anders, bitte schön, als die Frau könnte auf Sittlichkeit achten. Der Mann ist dazu nicht im Stande.

Weißt du, langsam ist es mal wieder Zeit, dass wir uns finden.

Unter der S-Bahn-Brücke die krakeelenden Penner. Fünfzig Meter weiter die angeregten Leute in der Bar.

Trag dich wie ein schönes, kostbares Gewand, das du jederzeit ablegen könntest.

Die Toten wissen alles, nur die Lebenden sind ahnungslos.

Ich will, was ich tue, und ich tue, was ich will. So einfach, so kompliziert.

Ein kleiner (vielleicht sogar großer) Fortschritt, ab und an für sich selbst weniger zu wollen, als man sonst für sich beansprucht.

Besonders wohlklingendes Morgenkonzert der Vögel. Ein Morgendämmerungsevent. Oder habe ich das nur geträumt?

Manch Reisende sind ihrem Gepäck nicht gewachsen. Sie scheinen ihre Koffer und Taschen eher als widerspenstige Anhängsel zu betrachten, die sie nur notgedrungener Weise mit sich herumschleppen, keinesfalls aus freien Stücken. Für sie müsste das Interieur der Eisenbahnwagons - schon aus Selbstschutz - einer stoßresistenten Gummizelle gleichen.

Die größte Utopie (und vielleicht die einzige) ist das Unsagbare, das sich in einem Begriff wie Gott verbirgt. Man weiß nicht genau, worum es sich handelt, aber jeder versteht, was gemeint ist. Ein Wort ohne Inhalt, aber umfassend genau.

Langsam, aber beharrlich baut der Tag seine Wärme auf. Die Feuchte der Nacht schwindet.

Ach, wie hast Du das Fragen verlernt und auch die Antworten, vertrauenswürdige, meiden Deine Lippen.

Warum man nicht fragt, fragst du. Nun, weil man davor zurückschreckt, antworten zu müssen.

Auf gar keinen Fall darf es sich rumsprechen, dass man nicht müssen muss. Möglichst viele, am besten alle Menschen sollten davon überzeugt sein und bleiben, sie müssten müssen, ansonsten alles den Bach runtergehen würde.

”Work-Life-Balance”, eine trügerische, unerfüllbare Verheißung, die überdies mit ihrer eher kritischen Einstellung zu herausragender Leistungsbereitschaft gesellschaftlichen Wohlstand gefährdet. Man frage sich, warum man sie benötigt.

Es kann der Rechtschaffendste nicht in Frieden leben, wenn es dem Nachbarn nicht passt.

Frieden in mir, Frieden in dir, und dazu anhaltendes Chaos.

Warum dieses nächtliche Gefühl, dass dieser ganze, bereits hochsommerliche Trubel, diese überlaute Feierlaune und ungehemmte Vergnügungslust unwahr sind. Noch einmal Hochgefühl vor dem (Ab) Sturz?

Auch wenn wir im sogenannten ”Postheroischen Zeitalter” leben, das Land braucht Helden.

Wem fiele es nicht schwer, das eigene (vermeintliche) Unglück nicht zu verallgemeinern?

Er war zugestiegen und hatte, entgegen der Gepflogenheit mancher Reisender, nicht unverzüglich Speis und Trank ausgepackt, sondern zu Labtop und Smartphone gegriffen, um seinen Sitzbereich unverzüglich zum Arbeitsplatz umzufunktionieren. Das sah dann so aus, dass er anhaltend (um es genau zu sagen, mit kleinen Unterbrechungen etwa sechseinhalb Stunden) und deutlich vernehmbar - auf deutsch wie in Englisch - mit allerlei Leuten telefonierte, die er gut zu kennen schien, da er sie alle duzte. Aus den unfreiwilliger Weise mitgehörten Gesprächen ging hervor, dass hier und augenblicklich, schwer zu lösende Organisationsprobleme in den Griff zu kriegen waren. Da blieb nur der Kopfhörer, um sich musikalisch zu wappnen. Um so mehr, da man dummer Weise nicht im Ruhebereich des Zuges saß und somit auch nicht auf Stille pochen konnte.

Vier Personen, ihrer Unterhaltung nach auf dem Weg zur Arbeit. Zwei Frauen, zwei Männer. Eine Quasselstrippe, eine eher Schweigsame, einer mit lauter, deutlich nach vorn strebender, einer mit sanfter, wie um Nachsicht bittender Stimme. Die Zurückhaltende mit Sympathiewerten.

Sich frei machen von Vorurteilen! Aber wie?

Am Nachbartisch die Wohlstandsdicken unter sich. Es quillt der Speck über die allzu leichte Bekleidung. Eine beherrscht alle anderen mit ihrem Geschwätz. Man sitzt bei Aperol, Hugo und Ähnlichem.

Man Ray’s ”Erotique violée”, Jean Dubuffet’s ”Olympia, Paul Klee’s ”Erbebende Kapelle” und ”Strandpromenade von Tunis”, einige Skulpturen von Henri Laurens im Museum Scharf-Gerstenberg.

”To, To, To”, brüllt der Mann und wirft dabei seinen Kopf ruckartig nach links, als ob da jemand wäre, den er abgrundtief verabscheuen und dem er seinen abgrundtiefen Abscheu unmissverständlich klar machen wolle. Aber da ist niemand und er scheint auch sonst niemanden mit diesem, seinem auffälligen, fast erschreckenden Verhalten stören oder um irgendeine Form von Aufmerksamkeit heischen zu wollen. Es überfällt ihn einfach, es explodiert geradezu heraus aus ihm. Sekunden später bleibt er, als ob nichts gewesen wäre, an einem Abfallbehältnis stehen und wühlt ungeniert darin herum.

Irgendwann spielt Sexualität keine Rolle mehr, auch wenn man sich das Gegenteil wünschen würde. Man kann sich dann raussuchen, ob man sich eingeschränkt fühlt oder/und ”nur” alt.

Mein Körper und ich sitzen einigermaßen entspannt im Sessel. Ich frage ihn, wie es ihm geht. Er antwortet, gut, nur im Rücken zwickt’s ein wenig, das solltest du eigentlich mitbekommen haben. Hab’ ich doch, sage ich, sonst hätt’ ich dir doch keine Wärmflasche in den Rücken geschoben.

Was wir wirklich und endlich brauchen: Menschen wie du und ich.

Reduktion der eingesetzten Gestaltungsmittel und Erweiterung der malerischen Möglichkeiten. Mal wieder die ”Quadratur des (Kunst) Kreises”.

So sehr ich mir auch vornehme, nichts zu wollen, mein Wille hält mich immer wieder auf Trab.

Mein Gott, war Verliebtsein aufregend! Dieses Bild von tausend Wonnen, das im Inneren in den grellsten Farben unaufhörlich hin und her flackerte, sich aber nach einiger Zeit des Kennenlernens als gar nicht mehr so wonnevoll herausstellte. Es war doch die unerfüllte oder noch unerfüllte Liebe die intensivste gewesen, zugegebenermaßen. Andererseits, wer hätte schon anhaltend, ob glücklich oder unglücklich, verliebt sein wollen. Das wäre doch sehr anstrengend gewesen.

Beziehungsnormalität. Auch so ein Wort, das nichts anderes als die drohende Tristesse gemeinsamen Lebens umschreibt.

Sein größter Fehler war (und er hätte wissen müssen, dass es sich dabei um einen nicht wieder gut zu machenden handelte), zu glauben, er hätte das Recht, von anderen vor allem das zu erwarten, was die zu leisten nie und nimmer in der Lage gewesen wären (und er selbst erst recht nicht).

Das rechte Hören ist eine Frage der Position, die man einnimmt in einem Geschehen, das mehr oder weniger immer einem Drama gleichkommt.

Seit ich mich verrenne, geht es mir körperlich wieder besser. Ich fühle mich fit wie nie.

Traum. Befinde mich in einer geräumigen Wohnung, sechster Stock eines etwas schäbigen, in die Jahre gekommenen Mietkomplexes. Blick in einen kahlen Innenhof mit Mülltonnen und struppigem Rasenstück in der Mitte. Die Wohnung ist Eigentum meiner Mutter, aber darin wohnen soll ich, was mir gar nicht zusagt. Eine Ordensschwester legt mir Papiere vor, die - nach ihrer Meinung - zweifelsfrei beweisen, dass ich als Kleinkind in einem Kinderheim ihres Ordens war. Die Zeit meines vermeintlichen Aufenthalts in diesem Heim liegt allerdings ein paar Jahre vor meiner tatsächlichen Geburt.

Der Teufel als zupass kommende Erklärung für die (mitunter grausamen) Umzulänglichkeiten menschlichen Verhaltens. Die daraus resultierende Sehnsucht nach einem Heilsbringer. Vermutlich war zuerst der Teufel und dann Gott, als quasi spirituelles Heilmittel mit heftigen Nebenwirkungen (die dann wieder dem Teufel zuzuschreiben wären).

Herzlich war man eher nicht zueinander in seiner Familie. Man war korrekt, bemüht um Korrektheit, und man war verlogen, mehr als eigentlich nötig gewesen wäre. Befund eines in die Jahre gekommenen Kindes.

Je mehr man an die eigene Gesundheit denkt, desto mehr kann sie einem abhanden kommen.

Wie soll sich - bitte schön - der Mann ändern, wenn er nichts anderes als Mann sein will (und was soll er auch anderes sein als Mann?)? Frauen sind da anders. Sie wollen gern etwas anderes sein, zum Beispiel beruflich erfolgreich, familiär, vielleicht auch Kinder haben, am allerwenigsten aber (nur) Frau sein, zumindest heutzutage. Deshalb auch machen Frauen gern einen so veränderungsfreudigen und anpassungsfähigen Eindruck (Ausnahmen bestätigen die Regel).

Nichts unmöglicher als ein Mann, der nichts als ein Mann ist (für Frau gilt das Gleiche).

Allerweltsworte. Stehen für alles und nichts. Wortschatz und Sprachwürdigkeit, vom Gebrauch ganz zu schweigen.

Manchmal hilft auch Sprachlosigkeit.

Greift der Mensch in die Natur ein, muss er richtig eingreifen, rücksichtslos konsequent. Nur ein bißchen geht nicht, da nimmt ihn die Natur nicht ernst. So ähnlich muss auch der Mann aus der Nachbarschaft gedacht haben, als er mit den Worten ”Alle Jahre muss das mal sein” ohne mit der Wimper zu zucken einige stattliche Büsche abholzte, die uns in der Vergangenheit (und nicht nur uns) ein Idyll grüner Geborgenheit beschert hatten.

Auch Hotels sind dem ehernen Gesetz der Teuerung unterworfen. Wird die Ware (sprich die Zimmer) auf Grund steigender Nachfrage knapp, explodieren die Preise. Man kann an ihnen die Auslastung ablesen.

Ich gebe mir überhaupt keine Mühe mehr. So erreiche ich in meiner Malerei eine neue Dimension der Hässlichkeit (die vermutlich so neu nicht ist). Die Bilder schauen entsprechend aus. Ich würde sie nicht kaufen wollen.

Da ich verhältnismäßig lebe, lebe ich so gut wie nie über meine Verhältnisse.

Ich müsste (noch) viel lesen, eine ganze Menge, Weltliteratur natürlich, am Stück, und das mehrmals, bis ich auch das letzte Wort begriffen hätte. Auch Musik läge an, viel Musik und täglich neue. Auch sie wäre zu hören, wiederholt, bis sie in mir drinsäße, wie ein Ei im Nest. Aber das wird mir alles nicht mehr gelingen. Die Jahre laufen mir davon und es gelingt mir nicht sie aufzuhalten, geschweige denn sie zu (er) füllen.

Heutzutage gibt es das nicht mehr (zumindest bei uns nicht), dass man auf einen anfahrenden Zug aufspringen kann. Man muss sich vorher entscheiden, rechtzeitig, und rechtzeitig einsteigen oder es bleiben lassen.

Die etwas im Verborgenen gehütete Erkenntnis der Neuzeit (früher eine selbstverständliche Tatsache), dass man sein Leben so ganz allein und aus sich selbst heraus nicht bestehen kann, und die vergebliche Umschau nach …, ja, nach was denn nun …

Man ist nie neutral. Man versucht oder gibt vor, es zu sein, meist um des eigenen Vorteils willen. Man hält sich raus, ein unbeschriebenes Blatt ist man, das nicht ins Gewicht fällt und niemandem auf. Aber selbst Neutralität ergreift Partei, wenn auch nur für sich selbst.

Menschen, deren Selbstbewusstsein ausgeprägter ist als ihre Fähigkeiten es erlauben würden.

Da es Gebote gibt für das menschliche Zusammenleben, gibt es auch ethische Probleme im menschlichen Miteinander. Wo aber, weiß der Teufel, kommen die Gebote her?

Zum Beispiel Ehebruch (ein fast schon antiquierter Begriff für etwas, das es so kaum mehr gibt), heute geschlechtsneutral geworden. Man hat oder man hat nicht …

Verständlicherweise gilt die Hauptsorge dem Körper. Um den Geist muss man sich keine Sorgen machen, dem kann so schnell nichts passieren, sofern man ihn ignoriert.

Ziemlich trübe Stimmung, an Aufhellung nicht zu denken. In finsteren Verhältnissen, eingeklemmt zwischen unwiderlegbaren Sachgeschichten und schillernden Verheißungsbeliebigkeiten unterschiedlicher Couleur.

Man frage sich einmal, ob man sich Vorstellungen bilden kann, die nicht an reale Erlebnisse gebunden sind. Bei mir sind Vorstellungen ohne Sinneseindrücke unvorstellbar. Sogar in meinen Träumen bewege ich mich in realen Bezügen, wenn auch neu und anders und auf äusserst fantasievolle Weise konstelliert.

Leben ist alles andere als sachlich, aber wir versuchen, es anhaltend auf die Sachebene zu zerren (was leider Gottes und vermutlich eine gewisse Berechtigung hat).

Von wegen, man könnte mit dem Leben Umgang pflegen. In Wahrheit geht das Leben mit einem um, mehr oder weniger pfleglich und wie es ihm gefällt.

Die Lust, sein Lebensthema schlechthin, das lebenslang verfehlte.

Klar, mein Vater hat mich gezeugt und meine Mutter mich ausgetragen und zur Welt gebracht. Aber dass dann ich daraus geworden bin?

Wenn das ”in Hülle und Fülle” übergeht in das klare Erleben einer einfachen Speise.

Ziehende Muskelschmerzen, hauptsächlich im rechten Oberschenkel. Die dazugehörige Hüfte wie operiert. Im linken Knie ein Glassplitterteig. Mich friert, obwohl draußen die Sonne scheint. Ich verordne mir Bewegung. Dabei widert mich gerade jetzt nichts so sehr an wie Bewegung.

Trotz allem: Jetzt ist immer der beste Moment, etwas zu tun.

Unvergessen mein letzter Besuch (von dem ich nicht wusste, dass es der letzte sein würde) bei ihm. Er saß wie so häufig in seiner letzten Zeit am Wohnzimmerfenster und schaute hinaus auf die Straße, als ob ihn das Chaos in seiner Wohnung nichts mehr anging. In der Hand eine Zigarette, ein Glas Rotwein auf dem Fensterbrett. Es würde ihn nichts erfüllen, meinte er, und es hätte ihn auch nie etwas erfüllt. Eigentlich bestünde er nur aus Schall und Rauch. Ich weiß bis heute nicht, warum mich diese Enthüllung damals nicht beunruhigt hat.

Frauen, die man lieben könnte, gibt es viele, Frauen, mit denen man leben könnte, eher wenige, vielleicht sogar nur eine. Für Männer gilt wohl das Gleiche (nehme ich an).

Jede halbwegs gewichtige Tätigkeit geht spätestens nach drei Jahren, oder auch früher, also nach einer gewissen Zeit, deren Dauer sich individuell unterscheiden kann, in ein Stadium der Gewöhnung und damit der Gewöhnlichkeit über. Ab diesem Zeitpunkt sagt man sich (oder muss sich sagen): jetzt mach’ was draus.