„Archaische Götzen zwischen zerrknittertem Papier
Ausstellung in der Bad Dürkheimer Galerie Vogtart stellt afrikanischen Exponaten Arbeiten des Künstlers Achs FisGhal entgegen“
Gabriele Weingartner zur Ausstellung „Kulturen“ 06.04. - 10.05.2008 Galerie VOGTart Bad Dürkheim
„Die Rheinpfalz“ Neustadt/Weinstraße



Schon Picasso bediente sich gerne bei der so genannten primitiven Kunst, auch heute noch sind die Schätze völkerkundlicher Museen für bildende Künstler Anregungen allererster Güte, wenngleich sie dies ungern zugeben. Wie selbstverständlich sich zeitgenössische Kunst mit Kultgegenständen aus Nigeria und Burkina Faso, aus dem Kongo und von der Elfenbeinküste zu einem hochkarätigem ästhetischem Ensemble fügen, das zeigt eine Ausstellung in der Galerie Vogtart in Bad Dürkheim, die Papierarbeiten von Achs FisGhal und original-afrikanische Masken und Figuren in einem einzigen Raum versammelt.

Im Grunde könnte man die Exponate aus Afrika als "Devotionalien" bezeichnen, wenn sich die Bedeutung dieses Wortes bei uns nicht längst in Richtung "religiöser Kitsch" bewegt hätte. In der Tat sind die aus hartem Holz geschnitzten Skulpturen nicht selten nach den geträumten Vorlagen von Dorf-Schamanen entstanden, kennen also keine individuelle künstlerische Urheberschaft. Falls sie ihre heilerischen Dienste und Einwirkungen auf das Schicksal trotz innigen Flehens nicht erfüllt haben - so Walter Vogt in seiner brillianten Einführung - verlieren sie sogar ihre Existenzberechtigung und werden regelrecht "entsorgt".
Für den westeuropäischen Betrachter jedoch hat die herb-expressive Kunst der anonym gebliebenen Holzschnitzer ihren einzigartigen Reiz deswegen nicht verloren. Im Gegenteil. In einer seltsamen Mischung aus Fremdheit und Vertrautheit, weil man sie - aus den Werken der klassischen Moderne - zu kennen glaubt, trotzen die Arbeiten ihrer "Säkularisierung". So kann die blau-weiße Initiationsmaske aus dem Kongo auch einen "aufgeklärten" globalisierten Menschen von der rituellen Dramatik des Übertritts von der Kindheit zum Erwachsensein "berichten".
Und auch die hochaufgerichteten Statuen der unterschiedlichen Göttinnen transportieren etwas von der Dringlichkeit der Anliegen, für deren Erfüllung sie stehen, so intensiv und markant wie sie mit den Armen winken oder sie ganz dicht an den Körper pressen. Zu schweigen von den ausdrucksstarken, geradezu universell wirkenden Masken oder dem wunderbar deftigen Krug aus Mali, in dem der Bambara-Stamm sein traditionelles Hirsebier anbietet.
Das Joint-Venture jedenfalls, das die Galerie Vogtart da mit der gleichfalls in Dürkheim ansässigen Galerie Orisha von Ulrike Bies-Weber und Armin Weber zuwege gebracht hat, ist nicht nur der Anerkennung wert, sondern vor allem eine kunsthistorische Horizonterweiterung.
Wozu natürlich die Papierarbeiten von Achs FisGhal gehören, deren eminent intensive, sozusagen direkt aus den reinen Pigmenten leuchtende Kraft der erdfarbenen Kunst aus Afrika den ästhetisch stimmigen Kontrapunkt hinzufügt. So unauflösbar jedoch wie der Künstlername ihres Schöpfers anmutet - auch der Galerist lässt sich dessen Geheimnis nicht entlocken - so geheimnisvoll wirken auch seine Arbeiten, deren Ausgangspunkt nicht selten Buchseiten sind. Dass diese freilich nicht viereckig und unbeschädigt blieben, sondern auf vielerlei Weise "traktiert" wurden, trägt zu ihrem starken Gesamteindruck bei. Zerknüllt, teilweise zerrissen und an ihren Rändern "angekokelt", bereiten sie der bröseligen, aufgerauten Farbe eine ganz neue, zudem auf jedem Blatt changierende Existenz, abgesehen davon, dass man bisweilen noch Satzfetzen entziffern kann oder der Künstler von sich aus Buchstaben hinzugefügt hat.
Wie bei der afrikanischen Kunst freilich, vor der man gleichfalls steht und sich außer von ihrer ethnografischen Bewandtnis vor allem von ihrer künstlerisch-sinnlichen Kompaktheit überzeugen lässt, so ist es auch mit Achs FisGhals irritierender "Buchkunst". Man "darf" frei assoziieren, selbst dann, wenn der Künstler sich gelegentlich auch Stoffe als Malgrund ausgesucht hat. An mittelalterliche Handschriften denken etwa, die gleichfalls so sehr der Leuchtkraft huldigen. Oder daran, dass Bücher verbrannt wurden und ihre gefährlichen Inhalte regelrecht verboten.

Gabriele Weingartner