Selbst die Vernunft ist mit Partikeln intuitiven Erkennens durchsetzt. Allerdings will sie das ungern wahrhaben und noch weniger zugeben.

Wer sähe nicht den Grat neben sich, die Dunkelheit anbei, abgrundtief? Ein falscher Schritt und man stürzt ab. Auch wer eine Hand reichen will zur Rettung, spürt instinktiv, dass er, reicht er sie hin, mit hinabstürzen kann.

Nur mit dem Tod muss man sich abfinden, definitiv.

Heute morgen, kurz bevor ich mich meiner Malarbeit zuwenden wollte, klopfte mir Teiresias auf die Schulter: ”Du musst so werden wie du bist, und du solltest so sein, wie du werden könntest.” Dann drehte er sich mit einem Augenzwinkern um und ging in den Garten.

Künstlerische Arbeit bedarf auch der Alltagsroutine.

Teiresias ist der Ansicht, dass wir heutzutage viel zu viel arbeiten. Nicht einmal die Sklaven zu seiner Zeit hätten so viel arbeiten müssen. Er selbst habe nie mehr als eine Stunde geweissagt. Die übrige Zeit des Tages sei der Welt- und Selbstbetrachtung vorbehalten geblieben. Und natürlich Speis und Trank im rechten Verhältnis, nicht zu viel und nicht zu wenig, und immer von guter Qualität. Klar, fügt er noch hinzu, seine Position sei hoch dotiert gewesen, die Leute, oft von weither kommend, hätten sich seine Weissagungen etwas kosten lassen, da habe er sich das leisten können. Aber - und er lächelt verschmitzt - , das wäre ja nicht immer so gewesen. Er kann nicht behaupten, allen Ernstes nicht, dass er als vergleichsweise mittelloser Schaf- und Ziegenhirte weniger glücklich gewesen wäre, als zur Zeit seiner in aller Welt gerühmten Orakel. Völlig mittellos zu sein, sei nicht erstrebenswert, über viele Mittel zu verfügen, auch nicht.

Selbstverständlich will der Künstler während des Herstellungsprozesses eines Kunstwerks auch etwas erreichen. Er weiß nur nicht in jedem Fall und jedem Detail und zu jeder Zeit, worum es sich dabei handeln könnte. Ehrlicherweise müsste er zugeben, dass er ein wenig ins Blaue hinein arbeitet (was sich die übrige Berufswelt so nicht leisten kann), neben der notwendigen handwerklichen Geduld, die auch dazu gehört. Teiresias sagt übrigens, für einfache Lösungen bräuchte es einen einfachen Blick, was bekanntermaßen schwer wäre und darum selten.

Verzicht ist gekoppelt an Besitz, oder zumindest an die Aussicht auf ihn.

Durch Verzicht gewinnst du Freiheit, durch Besitz auch. Es gilt abzuwägen.

„Im Grunde genommen lohnt es nicht der Mühe“, höre ich Teiresias sagen, als er von draußen hereinkommt und sich die Zeitung vom Tisch nimmt. Und dann: „Das wird zu wenig bedacht, dass vieles nicht der Mühe lohnt. Die Welt sähe anders aus, würde der Mensch sich die Frage, ob es der Mühe wert ist, was er da gerade tut, öfter stellen. Wie schön doch das Leben sein könnte, wenn er sich des ein oder anderen enthalten könnte“. Und mit einem Seufzer (von dem ich nicht genau sagen kann, ob er seinem vorgerückten Alter oder dem Thema geschuldet ist) setzt er sich in seine Bildecke und schlägt die Zeitung auf.