Er saß auf dem Bahnsteig auf einer der dort fest in einer Reihe angebrachten Metallsitzgelegenheiten. Ein älterer Mann magerer, etwas vernachlässigter Statur, wie bei älteren Männern manchmal zu beobachten. Ein abgenutzter Rucksack stand neben ihm. Genau wie ich schien er auf seinen Zug zu warten und die Wartezeit seinem Frühstück zu widmen. Was er dabei zu sich nahm, erregte meine Aufmerksamkeit, die ansonsten kaum Notiz von ihm genommen hätte. Im Gegensatz zu mir, der ich ein üppig belegtes Sandwich und einen Becher mit dampfendem Kaffee in Händen hielt, knabberte er langsam, fast bedächtig, als ob es sich um eine Kostbarkeit handelte, die er da verspeiste, eine Scheibe Brot. Ich sagte mir, vielleicht hat er nicht viel Geld, oder er verträgt andere Speise nicht, muss aus irgendeinem Grund Diät halten, vorzugsweise bestehend aus Kohlehydraten, und was für ein Glück, dass ich noch immer fast alles vertrage, denn der Jüngste bin ich auch nicht mehr. Mein Verdacht schien sich zu erhärten, als der Mann einen ZIP-Beutel aus seinem Rucksack hervorkramte samt einer kleinen Gabel. In dem Beutel befand sich etwas Weißes. Ich konnte zunächst nicht identifizieren, worum es sich dabei handelte. Doch als der Mann mit seinem Gäbelchen in den Beutel tauchte und von dem Weiß nahm, erkannte ich, dass es Reis war, blanker Reis. Auch ihn verspeiste der Mann sorgfältig und langsam wie zuvor das Brot. Es blieb kein Körnchen übrig und ich glaube, es fiel auch kein einziges Reiskorn zu Boden.

Großstädte besitzen Schauseiten und Kehrseiten. Letztere sind selten erquicklich, die Schauseiten aber auch nicht unbedingt. Das ist menschlich und menschengemacht. Das, was kaum jemanden interessiert, interessiert mich. Abseits liegt es meist, darum etwas stiller wie sonst wo, nicht unbedingt aufregend, auf keinen Fall sensationell, aber eindrücklich. Vielleicht handelt es sich nur um Einbildungen (die Stadt in meinem Kopf), ganz sicher aber um herzergreifende. Wenn sich mir eine zu erkennen gibt, sich mir wie zufällig in den Weg stellt, während ich vorwärts strebe, möchte ich mich am liebsten unsichtbar machen, um sie ja nicht zu stören in ihrer Abkehr.

Metropolen haben es schwer. Sie müssen sich ständig überholen. Das kostet viel Geld und ist anstrengend.

Stadtaufenthalt: Öffnung der Sinne, Durchfluss der Sensationen, Zulassungsstelle des Herzens, Aufbewahrung des Essentiellen.

Vorschnelles Urteilen beeinträchtigt die Anteilnahme.