Seit einigen Tagen schon beunruhigte mich das frühlingshaft rasante Wachstum im Garten. Ich muss gestehen, dass ich der Gartenarbeit wenig abgewinnen kann, trotzdem mir bewusst ist, dass ein Garten, selbst ein wilder wie meiner, etwas Pflege benötigt (um die Sinne erfreuen zu können). Gestern dann beschloss ich also, einsichtig wie unwillig, mein Atelier zu verlassen und speziell dem Rasenwuchs vorübergehend Einhalt zu gebieten. Ich schloss gerade die Tür zum Gartenhaus auf, um das Mähgerät hervorzuholen, als mir Teiresias auf die Schulter tippte. Er würde gern Rasen mähen. Die frühnachmittägliche Schwere lähme ihn ein wenig. Da komme Gartentätigkeit an der frischen Luft wie gerufen. Außerdem sei er fasziniert von der Art und Weise moderner Gartenpflege, die, wie er mittlerweile herausgefunden hätte, mit allerlei klugen, technologischen Erfindungen aufzuwarten habe. Insbesondere der Rasenmäher gefalle ihm, so einer, wie ihn die Nachbarn verwenden. Er hätte sie mehrfach beim Rasenmähen beobachtet und sei seitdem versessen auf diesen ohrenbetäubenden Motorenlärm mit seinem sägend-nasalem Stottern, und nicht satt genug riechen könne er sich an den mitunter sichtbaren Abgaswolken, die einen während der Mäharbeit, vermischt mit dem Duft des Rasenschnitts, betäubend einhüllten. Zu seiner Zeit hätten sie die Wiesen ja mit vergleichsweise einfachen Mitteln kurz gehalten, vornehmlich mit Hilfe von Schafen und Ziegen. Ein so praktisches Hilfsmittel wie den Rasenmäher hätten sie nicht gekannt. Und während ich mich erleichtert, aber auch ein wenig skeptisch, wieder meinen Farben und Leinwänden widmete, machte sich Teiresias glücklich und erfahrungshungrig draußen mit meinem High-Tech-Rasenmäher zu schaffen. Er wollte gar nicht mehr aufhören und am Ende fragte er enthusiastisch, wann der Rasen denn das nächste Mal gemäht werden müsste. Er wäre dabei. Dass er in seinem Eifer manche Stellen so kurz geschoren hatte, dass von Rasen keine Rede mehr sein konnte, ignorierte ich großzügig (desgleichen einige wertvolle Gewächse, die ihm zum Opfer gefallen waren).

Solang dem Deutschen bewusst ist, dass sein übertriebener Hang zu Disziplin und Ordnung etwas Komisches an sich hat, könnte man ihn durchaus gern haben. Wehe aber, er vergisst ihn.

Aus der Nähe betrachtet erkennt man wie (welt) unerfahren er ist. Man könnte ihn geradezu als naiv bezeichnen auf Grund seiner fast kindlichen Vertrauensseligkeit, jedem dahergelaufenen Besserwisser alles zu glauben, was er von sich gibt. Natürlich freuen sich die Seelen- und Wissensspekulanten, wenn sie sich bei ihm erleichtern können. Andere allerdings, die mit bösen Absichten, spielen ihm übel mit. Das Dumme ist, dass er daraus nichts lernt.

Misstraue jedem, der vorgibt, du könntest seinem Ratschlag uneingeschränkt vertrauen.

Persönlichkeit ist der Grad an Individualität, den man nicht erwerben kann, sondern der einem (im Gefolge persönlicher wie überpersönlicher Erfahrungen) zukommt.

”Was jemand in seinen Worten verschweigt, ist mitunter aussagekräftiger, als das, was er in ihnen zum Ausdruck zu bringen scheint. Höre mehr auf das Unhörbare, in gewissem Sinne Inhaltslose, wenn du mehr erfahren willst über Person und Aussage. Darin liegt nebenbei das ganze Geheimnis meiner oft missverstandenen, gleichwohl immer richtig liegenden Weissagungen.” Originalton Teiresias, gestern Abend beim Dämmerschoppen und angesichts eines weitgehend akkurat gemähten Rasens.