Folgendes ist die subjektive Annahme des Autors, die auf keinerlei Objektivität Anspruch erhebt: Materie ist das an ihm selbst und in seiner Umgebung erlebte Stoffliche, das Geistige das in ihm selbst, in seiner Umgebung und zwischen ihm und seiner Umgebung erlebte Unstoffliche (wie Gefühle, Gedanken, Vorstellungen). Zwischen Geistigem und Materiellem herrscht nach seiner Auffassung eine sich gegenseitig bedingende wie ausschließende Verbindung.

Ein akausaler Befund stellt nicht das Gegenteil eines kausalen dar, sondern seine Erweiterung.

”Man erhebt sich nicht ungestraft über das Leben, aber man läßt Transzendenz auch nicht nur um des Lebens willen links liegen”, höre ich Teiresias brummeln, ”Leben ist Transzendenz wie Transzendenz Leben ist”.

Fakt ist, dass alles Verbundene, wird es getrennt, zum Schaden gereichen kann.

Das Widerständige ist der wahre Lehrmeister des Daseins.

Da hat Teiresias wohl recht, wenn er meint, dass alles den Alltag Übersteigende in besonderer Weise auf Alltag angewiesen ist.

Vor kurzem kam Teiresias wieder auf sein Leben zurück. Ich hatte im Garten gewerkelt und saß nach getaner Arbeit im lauen Abendwind auf der Terrasse mit einer Flasche Rotwein, als er sich zu mir setzte und um ein Glas bat. Eine Zeit lang saßen wir schweigend nebeneinander. Dann räusperte er sich verlegen und begann zu erzählen: ”Gut, ich hab’ mir damals redlich Mühe gegeben als Frau. Diese von Zeus auferlegte Weiblichkeit auf Zeit, immerhin sieben Jahre, brachte ich einigermaßen fruchtbar rum. Aber, ehrlich gesagt, ich war dann doch froh, als sie vorbei war. Irgendwie schon eine gute Erfahrung, gewiss, aber ich muss sie nicht noch einmal erleben. Soviel habe ich dann doch nicht übrig für Mutterschaft und Kinder.
Solltest du jetzt denken, damit wäre die Sache ausgestanden gewesen, täuscht du dich gewaltig. Eines Tages nämlich stand Hermes vor der Tür. Nein, nicht der Paketdienst, sondern der Götterbote, Überbringer göttlicher Weisungen an die Menschen, Begleiter der Verstorbenen in die Unterwelt und nebenbei auch noch Gott der Kaufleute, Reisenden und unbegreiflicherweise der Diebe. ”Folge mir, Teiresias!”, sprach er mit keinen Widerspruch duldender Stimme, ”Zeus und Hera wollen dich sprechen”. Also brachen wir auf zum nebelverhangenen Gipfel des Olymp, der Wohnstätte der Götter, 2900 Meter über dem Meeresspiegel. Hermes vor mir schwebend wie es einem Gott gebührt, ich keuchend hinterher. Da war vielleicht dicke Luft da oben. Er, Zeus, mit hochrotem Kopf, sie, Hera, mit verweinten Augen, und Zeus, als er meiner ansichtig wurde, rief mir herrisch zu: ”Da du, Teiresias, der einzige bist unter den Sterblichen, der die weibliche wie die männliche Seite des Lebens aus eigener Erfahrung kennt, schlichte unseren Streit und sage uns, wer über das tiefere Empfinden verfügt, der Mann oder die Frau?” Mir war sofort klar, dass mich meine Antwort, egal wie sie ausfallen würde, den Kopf kosten wird. Warum also nicht die Wahrheit sagen, zu der ich übrigens auch heute noch stehe: ”Die Frau verfügt über das tiefere Empfinden, oh Zeus, Herr und Gebieter über Himmel und Erde, das ganze Universum und auch über meine bescheidene Existenz”. Letzteres hätte ich mir allerdings sparen können, denn Zeus explodierte wie ein Feuerwerkskörper. Als er nach einiger Zeit ziemlich abgebrannt wieder zurückkam, war trotzdem noch genug Feuer in ihm, um mich verächtlich anzublitzen, was oft tödlich endete, mich allerdings ”nur” das Augenlicht kostete. ”Damit du in Zukunft klarer siehst, was Menschen frommt und vor allem den Göttern”, lauteten seine strafenden Worte. Und als ob mein Unglück nicht bereits groß genug gewesen wäre, verlieh mir Hera zum Ausgleich auch noch die Gabe der Weissagung, wahrscheinlich aus schlechtem Gewissen.
Und so stolperte ich, mit Blindheit geschlagen und zu Allwissenheit verdammt (sei so nett, sag’ es nicht weiter), den Olymp hinab. Von nun an standen die Leute Schlange vor meiner Tür und ich musste Wisthleblower sein, und was das bedeutet, ist dir sicher klar: man steht immer mit einem Bein im Gefängnis, wenn nicht sogar mit beiden Beinen unter dem Galgen. Und da wir Sterblichen alle ein schlechtes Karma haben - gut kann es ja nicht sein, sonst wären wir nicht hier auf der Erde - , musste ich lernen durch die Blume zu sprechen. Das ging mir sehr gegen den Strich. So manch’ einem hätte ich liebend gern die volle Wahrheit eingeschenkt. Da ich trotzdem immer irgendwie richtig lag mit meinen Vorhersagen, ob nun durch die Blume oder nicht, ließ der Erfolg nicht lange auf sich warten. Ich wurde unverzüglich zum Chefwahrsager von Theben bestellt, einer der angesagtesten Städte Griechenlands damals. Man schuf extra eine hoch dotierte Stelle für mich im weithin gerühmten Heiligtum des Apoll, dessen stattliche Überreste auch heute noch tourismusträchtig oberhalb der Stadt auf einem Felsen leuchten, sofern die Sonne scheint. Ich machte also Karriere, wie man heute sagen würde. Ein gut situiertes Leben ohne materielle Sorgen. Bis zu jenen Ereignissen, die ich kommen sah und, trotz meiner Sehergabe, nicht verhindern konnte. Aber das ist wieder eine andere Geschichte, sagte Teiresias mit etwas resignierter Stimme, erhob sich leise und zog sich in seine Bildecke zurück. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie spät es geworden war.

Was wir Geist nennen, ist Interpretation zugleich wie schmerzhaft bedrängender Seinsbefund.

Von seinem Leben hatte er solange keine Vorstellung, bis er sich vorstellte, dass das, von dem er meinte, keine Vorstellung zu besitzen, sein Leben war.

Nur weil jemand Augen und Ohren hat, ist er noch lang kein Fachmann fürs Ästhetische.

Damit (unzweifelhaft erstrebenswerte) Seelenruhe nicht in (unzweifelhaft nicht erstrebenswerte) Gleichgültigkeit übergeht, bedarf sie der Beunruhigung.

Wer bewusst leben will, muss lernen mit Misserfolgen zu leben.