Wo Leben ist und solange Leben ist, muss es Wandel geben. Aus folgt auf Ein, Kommen auf Gehen. Wendungen aller Art und der Mensch mittendrin.

Wenn er unterwegs ist, ist er auf Gleisen unterwegs. Dass er sie dann unter sich spürt und sie seitlich völlig unbewegt an sich vorüberfliegen sieht, findet er aufregend. Am liebsten befährt er Hauptgleise. Die führen ihn auf direktem Weg ans Ziel. Es kann aber auch vorkommen, dass er sich mit Nebengleisen zufrieden geben muss. Bei seiner Ungeduld eine Herausforderung. Besonders spannend findet er den Vervielfältigungswirrwarr der Gleise vor der Einfahrt in einen Bahnhof. Je größer der Bahnhof, desto mehr Bahnsteige, desto mehr Haltemöglichkeiten, desto mehr Gleise. Geradezu erholsam dagegen ihre Reduktion während der Ausfahrt, bis nur noch das eine zielführende Gleis übrig bleibt. Gern würde er einmal ganz vorn Platz nehmen, in der Zugspitze, dort, wo sonst der Lokomotivführer sitzt. Dann könnte er beobachten, wie das Gleis unter ihm verschwindet, verschluckt wird, als Strich aus der Ferne sich rasant nähernd und dann husch unter dem Zug, unter ihm hinweg.

Wenn einer entgleist. Lang ist er dann nicht neben der Spur.

Auf dem Hauptgleis zu fahren, hat er nicht gelernt. Ob er wollte oder nicht, immer geriet er auf Nebengleise. Dass er manchmal wieder zurückfand aufs Hauptgleis, war reiner Zufall oder Fügung einer vorausschauenden Weichenstellung, für die er nicht verantwortlich war. Das Abstellgleis blieb ihm zum Glück erspart.

Wer nicht so alt werden will wie möglich, muss Vorsorge treffen.

Ob Haupt- oder Nebenwege, Unterwegssein ist alles.

Die Menschen glauben ja immer noch, wenn auch heutzutage nicht mehr ganz so gläubig wie dazumal, dass der Tod (wie das Leben allgemein) von Gott bestimmt sei, raunt mir Teiresias zu. Bekanntlich sind Götter aber unsterblich. Logischerweise können sie mit so etwas wie Tod überhaupt nichts anfangen, infolgedessen mit Leben auch nicht. Schon eine traurige Existenz.

Schlimm, dieser Fortkommensdrang. Unmöglich, nicht ständig ans Fortkommen zu denken. Das ist doch kein Leben ohne Fortkommen.

Nach wie vor ruhiges Spätherbstwetter. Oberschwaben verschwindet unter einem grauen Himmel. Teiresias und ich legen die Hände in den Schoß und schauen der Zeit beim Vergehen zu.

So eine herzerwärmende Ausstrahlung hat diese Frau. Alles um sie herum blüht auf wie Natur im Frühling. Welch’ positive Atmosphäre! Dafür muss alles getan werden. Diese Strahlungsfähigkeit muss ihr erhalten bleiben. Am besten, nicht daran rühren und gar nicht erst versuchen, Nutzen daraus ziehen zu wollen. Das wäre fast ein Sakrileg.