Die gedankliche Verarbeitung dessen, was mich umgibt, fußt auf Sinneseindrücken. Richtet sie sich auf mein Innenleben, begegnet sie sich selbst, in sich begründet, unmittelbar und unvermittelt.

In manchen seiner Träume tauchte die Mutter auf, immer wieder. Ein zwiespältiges Erleben, vibrierend zwischen Sehnsucht nach (oder auch Verpflichtung zu) unmittelbarer Nähe und dem Erschrecken angesichts unüberbrückbarer, gefühlskalter Distanz. Er wusste in diesen Träumen immer, dass er sie eigentlich in seine Arme nehmen müsste, aber er schaffte es nie. Auch wendete sie ihm oft den Rücken zu. Wie hätte er sie da umarmen können. Den Mut sie umzudrehen (und Mutes hätte es bedurft, das spürte er überdeutlich), brachte er nicht auf. Irgendetwas hielt ihn davon ab in den Träumen (wie später im realen Leben auch), vielleicht wohlweislich.

Du hast Vater und Mutter zweimal, in doppelter Ausführung sozusagen, meint Teiresias, einmal die ideale Vater- und Mutterfigur, wenn du so willst die archetypische, und dann die realen Eltern, die du erlebt hast an Leib und Seele. Es ist von Vorteil, das ideale Elternpaar nicht mit dem realen zu verwechseln, und den Blick des Kindes darauf nicht mit dem des Erwachsenen.

Was mich lange Zeit in meiner kunstprozessualen Vergangenheit beeinträchtigt hat, ist die Überfrachtung der Kunsttätigkeit mit ideell-dogmatischen Ansprüchen. Immer musste Bedeutung schon da sein, bevor eine künstlerische Geste überhaupt etwas Bedeutungsvolles zum Ausdruck gebracht hatte. In gewissem Sinne, obwohl sicher nicht beabsichtigt, war Werk (und Wirkung) noch vor dem Gewirktsein ausgemachte Sache, oft auf hohem geistigem Niveau.

Teiresias ist der Meinung, dass ein wesentlicher (wenn nicht sogar der wesentliche) Teil des Menschen fernab der Geschichte lebt. Warum das der Geschichte nicht zugute kommt, kann er sich auch nicht erklären, oder zumindest nicht ganz. Wahrscheinlich sind die Menschen zu sehr verliebt in ihre eigene Geschichte. Ohne Geschichte will ja keiner sein, zumal heutzutage. Sie tun ja alles technisch Mögliche, um im Gedächtnis zu bleiben, selbst unter der Gefahr des Gedächtnisverlusts, höre ich ihn noch brummeln.

Ich bewege mich im Gitternetz eigenen Erkenntnisvermögens. Was ich zwischendurch sehe, ist nichts, also unsichtbar, sollte es etwas sein.

Die Verstorbenen sind doch nicht irgendwo in der Hölle oder im Himmel, wie ihr das nennt, höre ich seine Stimme hinter mir. Die Toten sind mitten unter euch. Und das ist beileibe schlimmer als die Hölle, das kann ich dir sagen. Dabei spüre ich seine traurigen Augen von hinten unerbittlich auf mir ruhen. Wenn du stirbst, wechselst du die Seiten, nicht mehr und nicht weniger.