Schon komisch, meinte Teiresias neulich zu mir, dass so viele Menschen das Gefühl haben, es werde zu wenig Notiz von ihnen genommen. Hat das mit fehlender Aufmerksamkeit zu tun oder mit überbordender Selbstbezogenheit? Vermutlich mit beidem, antwortete ich, wobei die technischen Kommunikationsmöglichkeiten das ihre dazu beitragen im Hinblick auf Selbstdarstellung und Aufmerksamkeitsgenerierung. Wieviel Zuwendung für den anderen da noch übrig bleibt, bestimmt jeder selbst.

Die zwischenmenschlichen Unterschiede sind evident. Es bleibt die Gattung Mensch, die einem auf Grund ihrer Artenvielfalt mitunter sehr sonderbar erscheinen kann.

Manche sagen, er hätte Glück. Er könnte sich selbst verwirklichen. Dabei hat er von einem Selbst so gut wie keine Ahnung. Von Selbsterkenntnis zum Beispiel würde er nie sprechen wollen. Selbst wenn er sie hätte, er würde ihr nach Möglichkeit aus dem Weg gehen, weil sie seinem Selbst unerträglich wäre.

Selbsterkenntnis ist etwas für Menschen, die sich gerne selbst quälen.

Man kann sich durchaus ein Leben lang mit etwas völlig Unnützem beschäftigen. Selbst wenn jemand (unverschämter Weise) sagen würde: das ist kompletter Unsinn, was du da machst, vorstellbar wäre es, dass man mit sich und dem eigenen Tun völlig einverstanden ist, egal was andere dazu meinen.

Teiresias, über die Zeitung gebeugt: Angst vor dem Sterben ist menschlich. Aber im Moment scheint es mir zu viele Menschen zu geben, die Angst vor dem Sterben haben. Das führt zu allerhand absurden Zuständen.

Der Lebenstüchtige ist deshalb lebenstüchtig zu nennen, weil er mit dem Lebensüberdruss, an dem andere verzweifeln, so umgeht, als wär’s ein Gewinn (fürs Leben).

Auch das ist eine Aufgabe des Lebens, sagt Teiresias, dass der Mensch lernt, seinen Mitmensch auszuhalten (von Liebe ist da noch gar nicht gesprochen). Aber die Aufgabe ist schwer, vielleicht zu schwer, auf jeden Fall mühsam. Kaum einer sieht sich ihr restlos gewachsen, auch bei uns in der Unterwelt nicht.

Augenblicklich sage ich ganz uneigennützig zu mir, es wäre schön, mal wieder lustvoll einkaufen zu gehen. Auch ein Drink, abends, in einer verrufenen Bar, wäre ein echtes Highlight.