Einer zieht in die Stadt, damit er abends mal in die Kneipe gehen kann. Dabei trinkt er nicht und hat auch gar keinen Spaß daran, eine Bar oder etwas ähnliches aufzusuchen. Ausschlaggebend ist, dass er es tun könnte, wenn ihm irgendwann einmal danach wäre.

”Ja, ja”, sagt Teiresias, ”oft ist im Leben die Möglichkeit bedeutsamer, als die Tatsächlichkeit, die Aussicht auf erfüllender, als die Erfüllung.”

Erfahrungsgemäß kommt man dem Mitmenschen entgegen, schafft man es, von sich selbst abzusehen. Was aber, wenn der Mitmensch dazu nicht in der Lage ist?

Nach dem Ableben eines sehr bekannten Malers, der der Nachwelt ein allseits anerkanntes, umfangreiches Oeuvre hinterließ, entdeckte man in seinen Aufzeichnungen folgenden Eintrag: Wenn die anderen wüssten, dass ich gar keine Lust zum Malen habe, dass mich Malen nichts als langweilt, ja abstößt, und ich, wenn ich male, nur auf die halbstündlichen Zigarettenpausen hinmale, die mir meine Gesundheit ruinieren, aber mich immerhin vom Malen abhalten.

Struktur eines Werktags: ich schaue, wie ich die Zeit zwischen den Pausen einigermaßen überstehe.

Wäre ich Komponist, meine Musik würde nur aus Pausen bestehen. Man würde rein gar nichts hören, außer den Pausen natürlich. Aber so bin ich Maler, ein Ortskünstler (im Gegensatz zum Musikschaffenden als Zeitkünstler), der es mit dem Malen von Pausen schwer hat.

Ein Galerist verrät, dass es schlimm sei mit denen, die nur Gucken wollen, aber nichts kaufen. Das würden die auch noch frank und frei zugeben: wir wollen nur mal schauen. Aber zum Teufel noch mal, eine Galerie ist doch kein Museum. Vom Schauen allein könne er nicht existieren und die KünstlerInnen, die er vertrete, auch nicht.

Wäre die Not unter den Kunstschaffenden augenblicklich nicht so groß, würde ich ihnen raten: macht nichts, überhaupt nichts! Überlasst die Gesellschaft ihrem kulturlosen Schicksal!

Heute bist du ja mal wieder ganz schön in Fahrt, lacht Teiresias und steigt leicht verschwitzt vom Ergometer.

Auch als Erfolgreicher kann man ratlos sein angesichts des Erfolgs. Schlimmer aber ist die Ratlosigkeit Erfolgloser, die der Meinung sind, dass sie Erfolg verdient hätten (möglicherweise zu recht).

Darauf Teiresias: ”Die Gunst der Götter ist launisch. Weh dem, dem sie gewährt wird.”

Man müsste im Lauf des Lebens immer schwereloser werden. Man müsste zunehmend an Gewicht verlieren und freier werden, immer freier, bis man am Ende in der Lage ist, wie eine Feder davon zu schweben.

Wer sein Gesicht verliert, verliert nicht unbedingt auch an Gewicht, murmelt Teiresias hinter der Tageszeitung.