May 2024

Geld nehme ich dankbar entgegen und gebe es mit Freude aus.

Glück ist ein zukommendes Phänomen. Es richtet sich nicht dauerhaft ein. Man sollte es nicht überschwänglich begrüßen und ihm keine Träne nachweinen, wenn es Abschied nimmt.

Sich etwas vorzumachen, ist menschlich. Wer lebte gänzlich fern von Illusionen? Ich jedenfalls nicht. Aber ich nehme sie nicht so ernst. Mir etwas vorzumachen, halte ich für einen anregenden wie vorübergehenden Überfall freundlicher Vorstellungskraft. Schnell erhascht, rasch verflogen. Ich schaue diesem Aufflammen und Erlöschen mittlerweile weniger interessiert als amüsiert zu, wie einem Spektakel raffinierter Unterhaltungskunst, das mit mir wenig bis nichts zu tun hat.

Du hast keine Sorge (mehr), dass du etwas ( möglicherweise Entscheidendes) in deinem Leben verpassen könntest. Selbst die Vorstellung, du könntest dich selbst verpassen, vermag dich nicht (mehr) zu erschrecken.

Die meiste Zeit meines Lebens habe ich in einem ebenso glücksfernen wie glücksnahen Erleben zugebracht. Ich glaube, das war ein Glück, und ich hoffe, dass es ein Glück bleibt.

Eine Freundschaft stellt (nicht nur, aber auch) die Aufgabe, ihren Unmöglichkeiten freundschaftlich zu begegnen.

Der erste Schreibvorgang entlässt mehr oder weniger geordnete Worte und Sätze, der zweite stellt Ordnung her und verdichtet Sinn, drittes Schreiben veredelt im Sinn des Inhalts Form und Gedanken. Und dann beginnen die Korrekturen.

Ohne meinen Körper bin ich aufgeschmissen, mit ihm (früher oder später) auch.

Ein ästhetisches Leben ist ein balancierendes Leben, anhaltend bemüht um den Ausgleich von Gegensätzlichem, das nach einseitiger Verwirklichung strebt.

Zu lernen ist auch, wann es Zeit ist und wieviel Zeit bleibt und für was und ob überhaupt. Jede Zeit hat ihre Zeit.

Selbstverwirklichung ist Mitverwirklichung und umgekehrt.

Heutzutage will man braun gebrannt sein. Früher galt weiße Haut als Zeichen von Schönheit (zumindest für die besser Gestellten) und wo nicht vorhanden, half man vorübergehend mit weißem Puder nach. Welche Farbe wird in der Zukunft dem oberflächlichen Schönheitsideal des Menschen entsprechen?

Was auch immer man gegen Glauben vorbringen mag, es handelt sich bei ihm um ein menschliches Vermögen einerseits und Unvermögen andererseits.

Schreiben als Innenphänomen. Ein Wortfindungsvorgang, der wiederum Innenphänomene erzeugt.

Ich überlasse mich der Zeit, ohne zu wissen, wie das geht.

Wahrheit löst sich auf in der Unschärfe von Wahrscheinlichkeit. Das Wahrscheinliche ist wahrscheinlich die Erkenntnisbestimmung schlechthin für den Mensch, und wahrscheinlich existiert Gott oder auch nicht.

Du solltest dich nicht allzu vorlaut-witzig-exaltiert gebärden, vor allem, wenn du jemand noch nicht oder noch nicht gut genug kennst. Du schaffst möglicherweise eine Vertraulichkeit, die du im Nachhinein bereuen könntest, oder wirst missverstanden. Außerdem: der Entertainer stand dir noch nie gut zu Gesicht.

Im Fluss zu sein ist eine Sache von Fließeigenschaften, die wiederum eine Angelegenheit des Flusses sind.

Ich schreibe an gegen einen Verlust, von dem ich schreibbeginnend noch nichts weiß. Erst im Verlauf der Worte und Sätze wird klar, was ich zu verlieren oder bereits verloren habe.

Einen Irrglauben gibt es nicht. Jeder Glaube führt in die Irre. Nicht alles zu wissen, bedeutet nicht zwangsläufig zu glauben, sondern nicht zu wissen.

Atheistisches Gemurmel ist eine Gabe des Himmels so gut wie laue Glaubenssätze, weder des Teufels, noch Gottes, sondern vor allem menschlich.

Bei der Herstellung eines Buchs gibt es sicher viel zu berücksichtigen. Seine Handhabbarkeit steht dabei vielleicht nicht an allererster Stelle. Trotzdem bin ich der Ansicht, dass Bücher nicht zu dick sein sollten. Das heißt nicht, dass ein Manuskript nicht viel Text umfassen darf. Aber der Verlag sollte darauf achten, die vielen Seiten nicht in ein einziges Buch zu pressen, sondern auf mehrere Bücher zu verteilen. Wer will schon ein Buch mit tausend Seiten in Händen halten? Dieser Umstand (und es ist einer im wahrsten Sinn des Wortes) ist unvorteilhaft und ziemlich unbequem.

Wie wichtig Wiederholungen für das Leben auch sind, wird wiederholt das Gleiche erzählt, entsteht unweigerlich Langeweile, ja Unmut. In späteren und späten Jahren kann sich daraus eine regelrechte Plage entwickeln, so verständlich es auch ist, das ein alter Mensch Schwierigkeiten hat, sich daran zu erinnern, was er bereits erzählt hat und wie oft.

Mir kann unmöglich immer etwas einfallen. Es gibt Zeiten kreativer Dürre. Immer noch lerne ich meine phasenweise Einfallslosigkeit kennen (soweit man etwas, das nicht ist, kennenlernen kann) und mit ihr angemessen umzugehen, das heißt, sie selbstverständlich und zum Procedere gehörig hinzunehmen und auf Besserung zu hoffen.

Was hat man davon, zu Lebzeiten eine Rolle zu spielen, die sich im Nachhinein - wenn man nicht mehr ist - als zwiespältig, wenn nicht gar zwielichtig herausstellt? Wäre es nicht sympathisch, danach zu streben, in guter Erinnerung zu sein? Sollte nicht sowieso der Epilog den Prolog übertreffen, noch dazu den zweifelhaften. Und wie, wenn es am Ende eines Epilogs gar nicht bedürfte?

Lerne, dir zu entkommen, indem du auf dich zugehst.

Ich sitze gern am Tisch mit mir. Noch jede gute Mahlzeit habe ich mindestens zu zweit genossen.

Er verhielt sich zeitlebens so, als sei ihm die Meinung anderer völlig egal. Ganz nebenbei und fast unmerklich tat er allerdings so manches, um zu erfahren, was andere von ihm hielten. Sein unkonventionelles Auftreten war mehr gekonnte Selbstdarstellung als erfüllte Selbstverwirklichung.

Vorübergehend leidenschaftlich leidenschaftslos. Vermögenswerte tendieren gegen Null. Selbstabsichtslosigkeit wäre erstrebenswert (ist aber nicht käuflich).

Ich bin nicht wirklich informiert. Meine Kenntnis reicht allenfalls bis an den Rand der Ereignisse. Von diesen selbst kriege ich nichts mit.

Auch ich will einen guten Eindruck machen, aber ohne allzu eindrücklich zu wirken.

Zu prüfen wäre, ob fehlender Ehrgeiz ein Zeichen von sonderlicher Besonnenheit oder von persönlicher Schwäche (Nachlässigkeit) ist. Überbordender Ehrgeiz wäre vermutlich leichter zu identifizieren.

Ich bin geneigt im Angesicht all dessen, was auf mich einwirkt, mehr mein eigenes (subjektives) Erleben zu berücksichtigen, als allgemeine Regeln und Konventionen. Wenn ich mir keine strukturierende Stütze (mehr) sein kann, wer sonst?

Und so denkst du immerfort an deinem Denken entlang, strandpromenadisch ausgesetzt zuweilen oder in Waldeinsamkeit, je nach Wanderlust und Reiseillusion, und kommst doch keinen Schritt voran. Dein Denken, so scharf auch immer, ist allerhöchstens eins von vielen, und du kannst zufrieden sein, dass es das ist und nicht mehr.

Als Kind habe ich nach funkelnden Sternen gegriffen. Heute fallen sie mir erloschen in den Schoß. In den Händen halte ich nichts.

Sich selbst beharrlich aus dem Weg zu gehen, ist eine Unterlassung, sich selbst wegwärts beständig treffen zu wollen, auch.

Worte machen den Unterschied.

Man kann etwas nur genießen, sofern man sich Zeit nimmt (Zeit nehmen kann). Nichts ist dem Genuss fremder als Zeitlosigkeit.

Wenn Sprache heideggert und Worte ins Schlingern geraten …

Es reicht nicht allein aus, guten Willens zu sein. Es bedarf auch der Hartnäckigkeit.

Mangel fordert meinen Charakter mehr als der mir zu Teil werdende Überfluss.

Auch wenn es durchaus im Bereich des Möglichen liegt, eine zweieinhalbstündige Autobahnfahrt mit Tempo Hundert zu absolvieren, ohne Ungeduldsbeschwerden zu bekommen, eilt die Mehrheit autofahrender Mitmenschen deutlich schneller dahin. Dabei könnte das vergleichsweise gemächliche Fahren die Sinne schärfen und zugleich das Gemüt schonen.

Paul Auster (verstorben am 30. April 2024) schrieb nach eigener Aussage langsam, etwa eine handgeschriebene Seite pro Tag. Gehen war seiner Schreibtätigkeit förderlich. Deshalb stand er zwischendrin immer wieder auf und tigerte herum. Er schrieb absatzweise, jeden Absatz solang korrigierend, bis das Geschriebene seiner Vorstellung entsprach. Dann tippte er diesen Absatz in die Schreibmaschine (Marke Olympia). Absätze waren ihm wichtig. Er schätzte sie als gliederndes Element, ähnlich dem Strophenzwischenraum bei Gedichten.

Selbsterziehung vor allem, und, wie jede Erziehung, mit Grenzen (vor allem solchen, die man selbst markiert).

Da es regnet, werde ich heute nicht den Rasen mähen können.

Ein schöner, stattlicher Mann, hieß es, und wie zusammengefallen jetzt und elend im Alter.

Ein allzu oberflächliches Gespräch konnte ihm noch jede Mahlzeit verleiden. Er war der Meinung, dass das gesprochene Wort mit der Erlesenheit der Speisen Schritt zu halten habe.

Er hatte wenig zu erzählen, das Wenige aber war durchaus ernst gemeint, so ernst wie ein Leben sein kann, das im Grunde genommen kaum ernst zu nehmen ist.

Wer im Trüben fischt, muss sich nicht wundern, wenn ihm allerlei Unrat ins Netz geht.

Im Zeitalter ungebremster Vervielfältigungsmöglichkeiten kommt auch das zur Vervielfältigung, was besser nicht vervielfältigt werden sollte. Darüberhinaus ist Wahrheit (oder was man dafür hält) nicht allein mehr eine Domäne des vervielfältigten Worts, sondern des veröffentlichten. Die Veröffentlichung scheint Wahrheit zu bestimmen, nicht Wahrheit die Veröffentlichung (wie es wünschenswert wäre).

Worüber könntest du dir mit gutem Grund mehr den Kopf zerbrechen als über deine Unmöglichkeiten (nicht zu reden von den Unfähigkeiten)?

Gewohnheit ist die Wohnstatt des Genies.

Von besonderem Interesse ist das Interessante nur, wenn es nicht alles von sich gibt, was es von sich geben kann.

Wie Genuss an der schmalen Tafel des Verzichts seinen festen Platz hat, ist dem Verzicht ein ebenso sicherer Platz an der üppigen Tafel des Genusses vorgemerkt. Je nach Bedarf tauschen sie die Plätze, mal der eine vor Kopf, mal der andere.