Sehen kann ich sie nicht. Aber ich spüre sie, ganz deutlich, als ob sie mir über die Schulter gucken und etwas zuflüstern würden. Vermutlich handelt es sich um meine Vorfahren, die sich Sorgen um mich machen. Sie fühlen sich verantwortlich, seit Ewigkeiten. Klar, sie wollen ja, dass aus ihrem Sproß etwas wird. Irgendwie mag ich sie ja, jedenfalls einige. Darum verhalte ich mich ihnen gegenüber auch meist aufmerksam und zuvorkommend, im Sinne von: gut, euch gibt es auch, wollen wir mal sehen … Manchmal sind sie mir lästig, das muss ich zugeben, wie einem allzu besorgte Eltern auf den Keks gehen können. Dann sage ich: ”Hört mal, Leute, Verantwortung hin oder her, das Leben nimmt seinen Lauf. Macht euch mal locker.” Dann sind sie beleidigt und lassen mich eine Weile in Ruhe. Manchmal auch lass ich sie erzählen. Das kann ganz unterhaltsam sein, mitunter sogar spannend. Und dann denke ich: zu der Sippe werde ich auch einmal gehören und meinen Kindern ...

Immer noch kann man bei uns etwas Besseres werden (und das ist gewiss keine Errungenschaft konservativer Kreise). Dass man allerdings etwas Besseres werden muss, ist ein Missverständnis.

Natürlich kann man nicht ständig über Tiefsinniges reden. Aber dieses ununterbrochene Geplapper, dieses anhaltende Welt- und Web-Blabla, das einen auf wichtig macht, aber nichts anderes ist als auf Hochglanz polierte Oberfläche.

Dass ich auf Distanz gehe zu anderen und zu mir selbst, darüber muss ich mir keine Sorgen machen und schon gar nicht schämen, solange ich nicht den Kontakt verliere. Bei Männern ist das halt so. Deshalb haben sie auch das starke Geschlecht nötig.

”Haben wir uns (noch) etwas zu sagen, hatten wir das je, nur, weil wir Brüder sind, oder gerade weil”, frage ich ihn. ”Das hängt davon ab”, antwortet er ausweichend. ”Wovon”, hake ich nach. ”Ob es gelingt, ein Leben lang Aufmerksamkeitswillen für einander aufzubringen, von Zuneigung ganz zu schweigen.” ”Na, das ist doch mal eine geschmeidige Antwort”, sage ich, ”worauf warten wir noch.”

Auch als unbeschriebenes Blatt ist man nicht grundlos. Es findet sich immer ein Grund, auf dem man zum Liegen kommen kann.